Der Gast: Roman
»Das soll wohl ein Witz sein.«
»Nein, kein Safe.«
»Verdammt. Und ich hab ihn die ganze Zeit dazu gebracht, an die Kombination zu denken.«
»Du hättest ihn dazu gebracht, wenn er einen Safe gehabt hätte. Es war ein großartiger Versuch.«
»Ich bin so sicher wie ein Safe«, sagte Marta. »Sie würde ihren Schmuck gern in mir verstecken.«
Sue grinste sie an. »In deiner Muschi.«
»Ein spektakulärer Auftritt«, sagte Neal.
Kopfschüttelnd sagte Marta zu Sue: »Das war eine irre Geschichte, dass du den Schnapsschrank deines Vaters geknackt hast. Mit neun Jahren?«
»Genial«, sagte Neal. »Vince hätte an jede Zahl und jede Drehung seines Kombinationsschlosses gedacht – und ich hätte zu seinem Tresor gehen und ihn ohne Weiteres aufmachen können. Da bin ich sicher.«
»So hab ich mir das vorgestellt«, sagte Sue. Sie zuckte mit den Achseln. »Ist ja nicht meine Schuld, wenn er keinen Safe hat.«
»Du bist großartig«, sagte Marta.
»Hm … danke. Mal mehr, mal weniger. Du bist auch nicht ohne.«
»Danke.«
Sue nickte und trank einen Schluck. Dann runzelte sie die Stirn. »Das Schwierige dabei war, die Sache mit der Kombination in der Geschichte unterzubringen. Das war das eigentlich Geniale. Weil an dem Schrank mit dem Schnaps nämlich gar kein Kombinationsschloss war. Man brauchte den Schlüssel, den mein Vater immer an einer Kette um den Hals getragen hat. Zusammen mit dem kleinen Goldkreuz, weil er Angst vor Vampiren hatte. Ich musste ihm in dieser Nacht die Kette im Schlaf klauen.«
Marta und Neal starrten sie an.
»Was ist?«, wollte Sue wissen.
»Das war eine wahre Geschichte?«, fragte Neal.
»Das mit der Kombination nicht. Aber der ganze Rest schon.«
»Du scheinst ein interessantes Leben gehabt zu haben«, sagte Marta.
»Größtenteils nicht«, erklärte Sue. »Ich hab ein paar Abenteuer erlebt, aber das meiste waren schlechte Dinge. Das Beste ist passiert, seit ich Neal getroffen habe. In dem Moment, wo ich ihn gesehen hab, wusste ich, dass er der Typ ist, auf den ich gewartet hab. Ich wollte mit ihm abhauen, wenn er mich mitnehmen würde. Ich hab mich in ihn verliebt. Ich hätte nie gedacht, dass ich in so eine Geschichte mit einem magischen Armband oder einem Mord verwickelt werde – oder eine halbe Million Dollar klauen würde. Oder dass ich dich treffen würde, Marta. Es ist alles ziemlich wüst.«
»Ich bin froh, dass es sich so entwickelt hat«, sagte Marta. »Am Anfang hat es mich ein bisschen mitgenommen, aber …«
»Wer mich kennt, muss mich einfach lieben. Stimmt’s, Neal?«
»Und du bist so bescheiden«, sagte Neal.
»Jedenfalls«, fuhr Sue fort, »war ich, bevor ich mich mit euch Gaunern eingelassen hab, noch nie so glücklich.« Sie hob ihr Glas und trank.
»Du kannst dir jetzt deinen eigenen Jeep leisten«, sagte Neal.
»Du willst einen Jeep?«, fragte Marta.
Sue ließ ihr Glas sinken. »Ja. Einen Jeep Cherokee. Wenigstens wollte ich einen. Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher.«
»Was soll das heißen?«, fragte Neal bestürzt. »Das war doch dein Traum. Mit deinem eigenen nagelneuen Jeep Cherokee quer durchs Land zu fahren, dir die ganzen Sehenswürdigkeiten anzusehen, Leute kennenzulernen … Und jetzt willst du nicht mehr? Jetzt, wo du reich bist? Jetzt, wo du es wirklich tun kannst?«
Marta runzelte die Stirn. »Wenn wir das Geld durch drei teilen«, sagte sie, »bekommst du über hundertfünfzigtausend Dollar. Dafür könntest du dir eine ganze Menge Jeeps kaufen.«
»Tja, einer würde reichen.«
»Wo liegt das Problem?«, fragte Neal.
Mit traurigem Gesichtsausdruck sagte Sue: »Ich will nicht weggehen und unser Team spalten. Ich meine … versteht ihr? Ich will, dass wir zusammenbleiben. Wenn ich alleine wegfahren würde – oder auch mit dir zusammen, Neal –, hätte ich das Gefühl, dass etwas fehlt.«
»Ja, ich«, sagte Marta und versuchte vergeblich, ein Lächeln zustande zu bringen. »Aber zum Glück könnt ihr mich nicht zurücklassen.«
»Das käme mir auch nicht in den Sinn«, beruhigte Neal sie.
»Auf keinen Fall«, sagte Sue. » Dich können wir unmöglich zurücklassen.«
»Hoffentlich nicht. Schließlich bin ich diejenige, die hier schwanger ist.«
52
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Neal sah sie verblüfft an.
Marta erwiderte seinen Blick über den Rand ihres Glases hinweg. »Oder sagen wir lieber, schwanger sein könnte.«
»Du könntest schwanger sein? «, fragte Neal.
»Das ist eines ihrer beiden großen Geheimnisse«, sagte Sue mit einem
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