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Der Gast: Roman

Der Gast: Roman

Titel: Der Gast: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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überlebt.
    Natürlich ist er davongekommen, dachte Marta. Rasputin überlebt immer.
    Nicht immer.
    Das weiße Auto fuhr mit quietschenden Reifen eine Rechtskurve und raste über den Parkplatz auf den Venice Boulevard zu.
    Marta ließ den Motor an.
    Glitts Wagen sprang vom Bürgersteig, schlingerte kurz und jagte dann auf dem Venice nach Westen.
    Marta fuhr über die Straße und steuerte auf den Parkplatz.
    Ein dumpfer Knall lenkte ihre Aufmerksamkeit zum Burger Boy.
    Der Wagen der Gangster war in Flammen aufgegangen. Der Körper, der in der Windschutzscheibe steckte, versuchte nicht, sich zu befreien. Niemand kam aus dem Wagen. Aber auf dem Rücksitz drehte sich jemand ganz langsam um, starrte durch die Flammen zu Marta und Sue und hob einen Arm, als wollte er um Hilfe bitten – oder zum Abschied winken.
    »Adios, du Dreckskerl«, murmelte Marta.
    Dann fuhr sie hinüber zu dem zerschmetterten Schaufenster von Video City.
    Sie sah Neal auf dem Rücken im Laden liegen.
    Und fühlte sich, als trampelte jemand auf ihrem Herzen herum.
    »Neal!«, s chrie Sue.
    Er lag reglos in einem Bett aus Glasscherben.
    Tu uns das nicht an, dachte Marta. Beweg dich. Steh auf. Heb wenigstens den Kopf, um Gottes willen. Zeig uns, dass alles in Ordnung ist.
    Doch sie wusste, dass überhaupt nichts in Ordnung war. Neal rührte sich nicht. Er sah aus, als wäre er in Blut gebadet worden.
    Sue sprang aus dem fahrenden Jeep und rannte zu Neal. Marta brauchte noch einen Augenblick. Sie musste den Wagen anhalten, dafür sorgen, dass er nicht wegrollte …
    Sie schaltete den Motor aus, zog die Handbremse und stieg aus. Sue hockte schon links neben Neal und zog ihn am Arm. »Komm schon, Süßer«, keuchte sie. »Du musst aufstehen. Das wird schon wieder.«
    Sein Kopf zuckte, und Marta dachte, dass er reagierte.
    Aber vielleicht sah es auch nur so aus, weil Sue an seinem Arm zog.
    Sie eilte an seine andere Seite.
    Die Scherben knirschten und klirrten unter ihren nackten Füßen und schnitten sie. Sie wusste es. Es war ihr egal. Sie sah hinab auf Neals Verletzungen.
    Sieben oder acht Einschüsse.
    Breiige, ausgefranste Krater, randvoll mit Blut.
    Verbinde die Punkte …
    Wenn man die Punkte miteinander verband, führte eine ansteigende Linie von unterhalb seiner rechten Brustwarze quer über den Brustkorb bis zu einem Punkt über der linken.
    Eine Linie, die genau über dem Herzen verlief.
    Sue sah mit verzerrtem rotem Gesicht zu Marta auf. »Hilf mir!«, stieß sie hervor. »Wir müssen ihn hier rausholen! Nimm einen Arm! Komm schon, steh nicht einfach da rum! Wir müssen ihn ins Krankenhaus bringen.«
    Zu spät, dachte Marta.
    Ich kann es Sue nicht sagen.
    Also bückte sie sich und nahm Neals rechten Oberarm. Er war voller Blut. Als sie daran zog, rutschten ihre Hände hinunter zum Ellbogen. Und plötzlich weinte sie hemmungslos. Sie sank auf die Knie, spürte, wie sich die Scherben in ihr Fleisch bohrten, warf sich auf ihn, hielt sein Gesicht mit beiden Händen und küsste ihn.
    Blut strömte in ihren Mund. Blut durchnässte ihr T-Shirt. Sie wollte spüren, wie er unter ihr atmete, wollte seinen Herzschlag an ihrer Brust fühlen. Aber es gab keinen Herzschlag, überhaupt keine Bewegung, nicht einmal mehr das Zucken, hervorgerufen durch Sues Zerren an seinem Arm.
    Jemand rüttelte ihre Schultern.
    »Marta!«, keuchte Sue. »Sirenen.«
    Ja. Sie konnte es hören. Sirenen. Ein weit entferntes Heulen.
    Kommen sie hierher?
    Da kannst du deinen Arsch drauf verwetten.
    »Komm«, sagte Sue und rüttelte noch einmal an Martas Schultern. »Wir müssen ihn hier rausholen. Die Polizei kommt. Bitte! Steh auf!«
    Als Marta sich hochstemmte, blieb ihr T-Shirt an dem Blut auf Neals Brust und Bauch hängen. Dann löste es sich und klebte an ihrem eigenen Körper.
    »Fass mit an! Los!« Tränen strömten über Sues Gesicht.
    Marta schüttelte den Kopf. »Es ist besser … wenn er hierbleibt. Sie werden …« Sie rang um Fassung. »Hier wird er schneller versorgt.«
    »Glaubst du, es kommt ein Krankenwagen?«
    »Zuerst die Feuerwehr. Aber sie … sie kümmern sich um ihn. Sie wissen, was zu tun ist. Die Feuerwehrleute. Sie sind ausgebildet …«
    Wen will ich eigentlich hinters Licht führen? Er ist tot.
    Sue schniefte und wischte sich über die Augen.
    »Lass uns hier abhauen«, sagte Marta. »Wenn die Polizei uns schnappt … halten sie uns bis morgen fest. Wir müssen … die Sache zu Ende bringen.«
    »Was?«, fragte Sue, doch sie trat schon von Neal zurück,

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