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Der Gast: Roman

Der Gast: Roman

Titel: Der Gast: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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beugte sich vor und spähte durch die Öffnung im Deckel. Die Einkaufstüte war ein Schemen in der Dunkelheit auf halber Höhe der Tonne.
    Er überlegte, ob er sich kurz umsehen sollte.
    Nein, sagte er sich. Schnapp sie dir einfach und geh.
    Er ließ die Pistole in der Tasche, drehte sich etwas zur Seite, griff durch das Loch und packte den zusammengeknüllten Rand der Tüte.
    Er hob sie hoch.
    Sie fühlte sich schwer an.
    Mein Gott, was, wenn da wirklich Geld drin ist?
    Am liebsten hätte er nachgesehen, doch er widerstand der Versuchung.
    Nichts wie weg hier. Zurück zu den Frauen.
    Nein. Nein. Ich sehe besser nach. Was, wenn es etwas Gefährliches ist? Vielleicht hat Vince eine Bombe hineingetan. Oder eine Klapperschlange.
    Plötzlich war Neal sich nicht mehr so sicher, dass er die Tüte öffnen wollte.
    Er trat einen Schritt von der Mülltonne zurück und betastete die Tüte. Sie fühlte sich genauso an wie diejenige mit dem Geld in Vinces Haus.
    Neal stellte sie auf den Boden, ging in die Hocke und drehte das zerknüllte Papier auseinander. Er lehnte sich nach hinten, sodass sich sein Gesicht nicht direkt über der Öffnung befand. Mit beiden Händen spreizte er die Tüte.
    Es sprang nichts heraus.
    Er beugte sich vor und sah hinein.
    Der letzte Ausweg.
    Von John D. MacDonald.
    Der Mörder in mir.
    Von Jim Thompson.
    Mein Revolver sitzt locker.
    Von Mickey Spillane.
    Er griff in die Tüte und schob die oberen Bücher zur Seite, um tiefer hineinsehen zu können.
    Darius der Letzte.
    Von Frederic Brown.
    Der lange Abschied.
    Von Raymond Chandler.
    Und weitere Bücher. Viele alte Taschenbücher. Neal wühlte in der Tüte und schätzte, dass Vince zwanzig oder dreißig Stück hineingeworfen hatte.
    Damit die Tüte das nötige Gewicht hatte. Um Glitt zu täuschen. Und vielleicht, weil Vince es amüsant fand, Glitt mit Geschichten über Verrat und Mord zu bezahlen.
    Es müssen Elises Bücher gewesen sein, dachte Neal.
    Derjenige, der diese Sammlung zusammengestellt hatte, würde die Bücher nicht für so etwas verwenden.
    Ich wusste gar nicht, dass sie auf so ein Zeug steht.
    Verdammt, ich weiß überhaupt nicht viel über sie.
    Und jetzt räumt der Dreckskerl ihre Bücherregale aus …
    Ein Auto hupte. Kein lautes, drängendes Hupen, nur ein kurzer Ton – wie eine verstohlene Warnung. Neal war klar, dass es vom Jeep gekommen sein musste.
    Er drehte sich um, konnte den Wagen jedoch nicht sehen. Ein Auto fuhr auf der Straße vorbei und versperrte ihm die Sicht.
    Es sah aus wie ein weißer Subaru.
    Das kann nicht Glitt sein, dachte Neal.
    Warum nicht?
    Der Wagen bog auf den Parkplatz und näherte sich.
    Es ist bestimmt nur jemand, der Videos zurückbringt. Weil es nicht sein kann , dass Glitt ausgerechnet in dem Moment auftaucht, wenn ich hier vor seiner Tüte hocke. Das ist unmöglich! Es ist noch lange keine zwei Uhr. Er würde nicht zu früh kommen. Er kann nicht kommen, während ich hier bin. Auf keinen Fall!
    Aber ein anderer Teil seines Verstands sagte Neal, dass es tatsächlich Glitt war, der nicht nur zu früh, sondern auch zum ungünstigsten Zeitpunkt auftauchte. Und alles verdarb.
    Typisch, dachte er.
    Aber es war noch nichts verloren. Noch nicht.
    Als Neal aufstand und sich zu dem Wagen umwandte, schwangen die Scheinwerfer zu ihm herüber.
    Sie blieben auf ihn gerichtet, weiß und grell, während das Auto auf ihn zurollte.
    Es blieb in ein paar Metern Entfernung stehen, und die Scheinwerfer wichen nicht von ihm.
    Die Fahrertür öffnete sich, und Glitt stieg aus.
    Rasputin.
    Selbst mit den weißen Verbänden am Kopf sah er aus wie ein verrückter Mönch. Seine Augen starrten Neal aus tiefen Höhlen finster an. Das Gesicht war leichenblass, auch wenn man wenig davon erkennen konnte. Der Großteil war unter dem wild wuchernden Bart verborgen.
    Er trug seine übliche Kleidung: langärmliges schwarzes Hemd, schwarze Lederhose und schwarze Stiefel. An seiner linken Hüfte hing ein großes Messer mit Hirschhorngriff in einer schwarzen Lederscheide.
    Die Handschuhe fehlten. Seine Hände waren leer.
    In einem Loch in seinem Bart blitzten Zähne auf.
    »Wo hast du die Tüte her?«, fragte er.
    »Aus dem Müll. Jemand hat sie da reingeworfen.«
    »Sie gehört mir.«
    »Wer’s findet, darf’s behalten«, sagte Neal. Er schob lässig die rechte Hand in die Hosentasche. Und legte die Finger um den Griff der .380er.
    Glitt schüttelte den Kopf. »Das hat jemand für mich hier hinterlegt.«
    »Wie kommen Sie

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