Der Gast: Roman
Mistkerl wahrscheinlich umbringen. Und wenn er es nicht tut, dann erledige ich das.«
»Was, wenn in der Tüte eine halbe Million Kröten sind?«, fragte Sue.
»Vince kann nicht so schnell so viel Geld besorgt haben«, beharrte Marta. Sie wirkte etwas genervt, als ermüdete es sie, das ständig zu wiederholen.
»Kann nicht schaden, mal nachzusehen«, sagte Sue.
Neal packte wieder ihre Schulter. »Es kann eine ganze Menge schaden. Bleib hier.«
Eine Weile sprach niemand. Neal ließ seine Hand auf Sues Schulter liegen, und sie beobachteten alle den Parkplatz. »Wenn die Tüte voller Geld ist, sollten wir sie uns schnappen, bevor Glitt auftaucht«, sagte Sue dann.
»Sie ist nicht voller Geld«, insistierte Marta.
»Man kann nie wissen.«
»Doch, ich weiß es.«
»Nein. Lasst mich kurz rüberrennen. Dauert nur eine Sekunde.«
Neal schüttelte den Kopf. »Das könnte genau die Sekunde sein, in der Glitt auftaucht. Wenn er dich erwischt …«
»Wenn er mich erwischt, dann erschieß ihn einfach. Das hast du doch sowieso vor, oder?«
»Nein. Ich will … ich will, dass Glitt sich Vince vorknöpft. Das war doch unser Plan. Ich meine, Glitt ist kein Typ, der sich um eine halbe Million betrügen lässt. Er wird wahrscheinlich sofort zu Vinces Haus fahren und ihn auseinandernehmen. Das ist es, was ich wirklich möchte. Ich will, dass er ihm das Gleiche antut, was er Elise angetan hat … und was er am liebsten mit uns allen tun würde. Und ich möchte dabei in ihm sein, damit ich nur ja nichts verpasse.«
»Tja, wenn die Tüte voller Geld ist, zieht der alte Glitt zufrieden ab.«
»Dann werde ich ihn trotzdem begleiten. Egal was passiert, wir müssen wissen, wohin er geht. Wenn ich das rausgefunden habe, komme ich zurück, und wir können ihn uns schnappen.«
»Was auch immer in der Tüte ist«, sagte Marta, »wir können es uns später holen.«
Sue sah Neal mit gerunzelter Stirn an. » Willst du nicht, dass Glitt sich Vince vorknöpft?«
»Doch, das wäre perfekt. Niemand könnte ihm so wehtun wie Glitt. Und es wäre so … passend. Er kann nicht das Geld auftreiben, um Glitt dafür zu bezahlen, dass er Elise abgeschlachtet hat, deshalb schlachtet Glitt ihn ab. Das ist Gerechtigkeit.«
»Wenn er Vince tötet«, sagte Marta, »wird er das Geld nie bekommen.«
»Zumindest wird er das Schwein foltern.«
»Es könnte auch sein, dass er gar nichts macht.«
»O doch, ich glaube, er wird eine Menge tun. In dieser Hinsicht vertraue ich der Bestie voll und ganz.«
Sue kicherte leise. »Wenn du willst, dass Glitt die Drecksarbeit macht, sollten wir verdammt noch mal rausfinden, was in der Tüte ist. Und es nehmen, wenn es Geld ist.«
»Ich glaube, du hast recht«, gab Neal zu. Er drückte fest Sues Schulter. »Du bleibst hier. Ich kümmere mich darum.«
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»Beeil dich«, ermahnte ihn Marta, als er aus dem Jeep stieg.
Neal schüttelte den Kopf, ging ein wenig schneller, rannte aber nicht. Das wäre zu auffällig.
In der Tasche der Shorts umklammerte seine rechte Hand die Pistole.
Ich sollte mir keine Sorgen wegen Glitt machen, sagte er sich. Es ist noch zu früh.
Trotzdem fühlte er sich schrecklich verletzlich, während er auf die Videothek zuging. Die Straße war so hell beleuchtet. Er hatte keine Deckung und war für jeden sofort zu sehen, der auf dem Venice Boulevard vorbeifuhr. Er hatte den Eindruck, die Leute könnten ihn von überall sehen.
Es war keine große Hilfe, halb nackt zu sein.
Niemand konnte erkennen, dass er nichts unter seinen Shorts trug. Aber er wusste es. Er spürte die Luft, das Gefühl, nicht eingeengt zu sein. Es war angenehm, doch zugleich fühlte er sich dadurch entblößt.
Vor allem wünschte er, ein Hemd anzuhaben.
Es war zwar nicht verboten, mit nacktem Oberkörper herumzulaufen, aber man sah es nicht gerade oft. Es sei denn, man war am Strand oder vielleicht auf einer Baustelle.
Was soll’s, sagte er sich. Wer wird es überhaupt bemerken? Es ist mitten in der Nacht. Außerdem war es ein richtig heißer Tag …
Als ich mit Elise hier war, hatte ich auch kein Hemd an.
Er hatte es ihr gegeben, weil sie nackt gewesen war.
Er erinnerte sich, wie sie darin ausgesehen hatte mit ihren langen bloßen Beinen.
Dann sah er sie tot in der Badewanne vor sich.
Denk an etwas anderes!
Denk an das Geld. Was, wenn noch eine halbe Million da drin ist?
Wohl kaum.
Neal ging an der Eingangstür und dem Einwurfschlitz von Video City vorbei und blieb vor der Mülltonne stehen. Er
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