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Der Gast: Roman

Der Gast: Roman

Titel: Der Gast: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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anderen Worten: Bleib von deiner Familie fern. Und von Marta.«
    »Mann, ich weiß nicht. Ich würde wirklich gern für ein paar Minuten in Marta hineinspringen.«
    Elise grinste. »Ich hab dich gewarnt. Aber ich bin nicht die Armbandpolizei. Mach damit, was du willst. Wenn du deinen Freundinnen oder Geliebten einen Besuch abstattest, könntest du bald ein sehr einsamer Junge sein.«
    »Darüber muss ich noch nachdenken.«
    »Überleg’s dir gut.«
    »Sonst noch Warnungen?«
    »Wie lange hast du Zeit?«

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    Er lachte. »Wie lange ich Zeit habe? Hast du nicht vorhin gesagt, es sei ungefährlich?«
    »Der Probelauf war ungefährlich. Es gibt alle möglichen Gefahren, wenn du anfängst, in der realen Welt zu reisen. Die meisten sind psychologischer Natur. Aber es gibt auch körperliche Risiken.«
    »Kann ich verletzt werden, wenn ich jemanden besuche?«
    »Du fühlst seinen Schmerz. Das weißt du ja bereits.«
    »Ja, klar.«
    »Aber der Schmerz fügt dir keine echten Verletzungen zu.«
    »Gut zu wissen.«
    »Mal abgesehen von dem psychischen oder seelischen Schaden, den man nehmen kann, wenn man die Leiden eines anderen auf diese Weise miterlebt.«
    »Was mich nicht umbringt, macht mich stärker.«
    »Also, dazu kommen wir jetzt. Vermeide es, zum Zeitpunkt des Todes in jemandem zu sein.«
    »Das will ich auch gar nicht.«
    »Trotzdem könnte es passieren, wenn du nicht vorsichtig bist.« Sie runzelte die Stirn und trank einen Schluck. »Du würdest dich wundern, was alles geschehen kann, wenn man bei ein paar tausend Leuten zu Gast ist. Ein Gewehrschuss, ein Autounfall, ein Herzinfarkt. Wenn sich so etwas abzeichnet, verschwinde. Und zwar schnell.«
    »Warum? Ich meine, was geschieht, wenn ich bleibe und derjenige stirbt?«
    Sie warf ihm einen sehr ernsten Blick zu. »Ich weiß es nicht.«
    »Du weißt es nicht?«
    »So ist es.«
    »Es ist dir nie passiert?«
    »Ich habe gut aufgepasst, dass es nicht dazu kam.«
    »Was glaubst du denn, was passieren würde?«
    »Keine Ahnung. Aber ich hatte immer Angst davor. Angst, dass ich gefangen war.«
    »Gefangen?«
    »In dem toten Körper.« Sie zuckte die Achseln. »Ich weiß, es klingt verrückt. Aber es war ein paarmal ziemlich knapp, und ich habe fast eine Art Phobie davor entwickelt. Ich kam zu einem Punkt, an dem ich bei jeder Reise schreckliche Angst hatte, dass mein Gastgeber tot umkippt und ich in ihm feststecken würde.«
    »Widerlich.«
    »Ja. Es hat mich fast verrückt gemacht. Ich habe vor ein paar Jahren sogar aufgehört, das Armband zu benutzen. Deswegen. Ich war bei einem Typen zu Besuch, während der Unruhen 1992. Er war ein Irrer. Faszinierend, aber verdammt beängstigend. Er war unterwegs, um ein paar Polizisten zu ermorden. Ich bin in ihm geblieben. Ich konnte ihn sowieso nicht daran hindern, deshalb dachte ich, ich könnte mir die Sache ebenso gut ansehen. Ungefähr zwei Sekunden nachdem er mit seiner AK-47 das Feuer auf einige Jungs vom LAPD eröffnet hatte, schossen sie ihm eine Kugel ins Hirn.« Elise fletschte die Zähne und kniff die Augen zu. »Aaah! Das hat unglaublich wehgetan. Und es hat mir eine Scheißangst eingejagt. Ich dachte, er wäre erledigt, und ich würde für immer …« Elise schüttelte den Kopf. Sie blies die Backen auf und atmete tief aus, dann trank sie ein paar Schlucke aus ihrem Glas und seufzte. »Jedenfalls hat der Schuss ihn nicht sofort getötet, sodass ich Zeit hatte, rauszukommen. Er lag noch ein paar Tage auf der Intensivstation, ehe er den Löffel abgab. Aber es war zu knapp. Danach hatte ich nicht mehr den Mut, auf Reisen zu gehen.«
    Neal betrachtete sie. Sie wirkte verängstigt.
    »Jetzt bin ich nicht mehr sicher, ob ich das Ding benutzen möchte«, sagte er.
    »Das musst du selber wissen. Aber vielleicht solltest du nicht zu viel auf meine Obsession geben. Ich meine, vielleicht ist man auch gar nicht gefangen, wenn jemand stirbt. Es könnte auch sein, dass man einfach hinausgleitet und in den eigenen Körper zurückkehrt, als wäre nichts geschehen. Ich habe keine Bedienungsanleitung zu dem Armband bekommen.«
    »Was ist mit Jimmy? Was hat er dir erzählt?«
    »Nicht besonders viel. Und überhaupt nichts darüber, was passiert, wenn dein Gastgeber ins Gras beißt. Vielleicht ist er nie in eine derartige Situation geraten. Und damals wusste ich auch noch nicht genug, um die richtigen Fragen zu stellen.« Sie zuckte die Achseln. »Jimmy hat mich nur vor einem gewarnt. Eigentlich ist es offensichtlich, aber der eigene

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