Der Gast: Roman
Körper ist äußerst verletzlich, wenn man auf Reisen geht. Er kann sich nicht schützen. Er könnte genauso gut im Koma liegen. Wenn etwas mit ihm passieren würde, würde man es nicht mitkriegen, bis man versucht, zurückzukehren.«
Neal verzog den Mund. »Das sind ja tolle Neuigkeiten. Ich könnte unterwegs sein und mich prächtig amüsieren, und wenn ich zurückkomme, ist meine Wohnung abgebrannt – und mein Körper mit ihr?«
»Oder du wurdest ermordet. Oder hattest einen tödlichen Unfall.«
Er schüttelte den Kopf. »Und was wäre dann?«
Elise grinste ihn über den Rand ihres Glases hinweg an. »Wer weiß? Ein weiteres Geheimnis des magischen Armbands.«
»Und du hast es trotzdem benutzt?«
»Ich lebe noch.«
»Aber du hast ’92 damit aufgehört.«
»Die Risiken sind eigentlich nicht so groß. Pass einfach auf, dass du nicht in einem Toten hängen bleibst, und achte darauf, wo du deinen Körper zurücklässt, wenn du unterwegs bist. Was den Körper angeht, benutze den gesunden Menschenverstand. Ich meine, wenn du in deiner eigenen Wohnung im Bett liegst, ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass dir etwas zustößt. Geh auf Nummer sicher. Verhalte dich, als würdest du auf eine Reise gehen – genau so ist es nämlich. Achte darauf, dass die Türen abgeschlossen sind und du den Herd ausgeschaltet hast, solche Dinge. Lass keine Kerzen brennen. Geh nicht auf Reisen, wenn du eine Zigarette im Mund hast.«
»Ich rauche nicht.«
»Gut. Versuch einfach, sämtliche Vorsichtsmaßnahmen zu treffen, ehe du deinen Körper verlässt. Und bleib nicht stundenlang am Stück weg. Wenn du an einem unsicheren Ort bist – zum Beispiel am Strand –, dann reise nur kurz. Zehn oder fünfzehn Minuten vielleicht. Komm hin und wieder zurück, um zu sehen, ob alles in Ordnung ist.«
»Du hast es am Strand getan?«
»Klar. Das ist ein toller Ort zum Reisen. So viele Leute zur Auswahl.«
»Konntest du das nicht einfach von zu Hause aus machen?«
»Doch. In einem gewissen Umkreis. Es ist immer besser, in der näheren Umgebung des Körpers zu reisen. Das erleichtert und beschleunigt das Kommen und Gehen.«
»Du hast dich also einfach auf deinem Handtuch ausgestreckt und so getan, als würdest du dich sonnen?«
»So ungefähr.«
»Bist du nie bestohlen worden?«
Sie schüttelte den Kopf. »Es weiß ja niemand, dass man sozusagen im Koma liegt. Für einen Unbeteiligten sieht es aus, als hätte man einfach nur die Augen zu und wäre möglicherweise hellwach.«
»Aber was passiert, wenn man trotzdem beklaut wird?«, fragte Neal. »Wenn einem jemand das Armband abnimmt, während man unterwegs ist?«
»Ach. Mir hat man mal das Armband abgenommen. Vince war das. Man wird aus dem fremden Körper gezogen und landet direkt wieder in seinem eigenen. Dann holt man sich das Armband zurück.«
»Wusste er davon?«
»Von dem Armband?« Elise schüttelte den Kopf. »Ich habe Vince erzählt, meine Eltern hätten es mir zur Abschlussprüfung geschenkt. Er hatte keine Ahnung, dass man damit auf Reisen gehen konnte. Das ist auch so eine Sache: Verrate niemandem , was es mit dem Armband auf sich hat. Ich meine, das ist eigentlich selbstverständlich.«
»Allerdings.«
»Kannst du dir vorstellen, was geschehen würde, wenn die Leute es erführen? Jeder wollte es haben. Sie würden es ausleihen, kaufen oder stehlen wollen. Manche Leute würden dich wahrscheinlich töten, um das Ding in die Finger zu kriegen.«
»Bist du der einzige Mensch, der darüber Bescheid weiß?«, fragte Neal.
»Soweit ich weiß, ja. Ich meine, ich besitze es seit sechzehn Jahren, und ich habe nie einer Menschenseele von seinen Kräften erzählt. Du bist der Erste. Und ich habe es dir nur gesagt, weil es jetzt dir gehört.«
»Gibt es noch mehr davon?«
Elise schüttelte den Kopf. »Nicht dass ich wüsste. Ich habe gründlich recherchiert und konnte keinen Hinweis auf solche Armbänder finden. Ich nehme an, es ist einzigartig. Und ich habe auch nie eine Aufzeichnung gefunden, in der es erwähnt wurde.«
Neal hob die Hand und betrachtete das Armband. »Ich vermute, dass Merlin es geschmiedet hat.«
Elise lachte. »Oder vielleicht der heilige Patrick zusammen mit einer Bande Kobolde.«
»Ich kann kaum glauben, dass es wirklich funktioniert.«
»Es funktioniert.«
»Ich weiß. Aber ich kann es einfach nicht glauben. Mein Gott. Ich kann mich bei jedem … einklinken, den ich mir aussuche? Das Armband küssen und mich in ihn hineinwünschen?«
»Im Prinzip
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