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Der Gast: Roman

Der Gast: Roman

Titel: Der Gast: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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und blutet gar nicht mehr.
    Verlass dich nicht drauf. Bei so vielen Wunden sickert bestimmt irgendwo was raus.
    Auf dem Weg zu ihrem beleuchteten Schlafzimmer überlegte sie, ob sie das Pflaster nicht doch austauschen sollte.
    Dauert ja nur ein oder zwei Minuten.
    Was mache ich jetzt?, fragte sich Neal. Ich bin hergekommen, um sie zu warnen, aber … Was habe ich mir eigentlich dabei gedacht? Dachte ich, ich könnte die Spielregeln ändern, nur weil ich es will? Sie kann meine Gedanken nicht wahrnehmen. Hat nicht die geringste Ahnung, dass ich in ihr bin. Ich kann sie nicht mal dazu bringen, einen verdammten Finger zu heben …
    Er bemerkte, dass er einen schweren Fehler begangen hatte.
    Er war schnell hierhergekommen, okay. Aber was hatte er davon? Er hätte genauso gut in seinem Auto bleiben können.
    Ich bin ja in meinem Auto, dachte er.
    Und jetzt sollte ich lieber in meinen Körper zurückkehren. Zum nächsten Telefon fahren und sie anrufen. Wenn ich nur einen Funken Verstand hätte, hätte ich das gleich getan.
    Zum Glück war es falscher Alarm, dachte er.
    Gerade als er sich Kraft seines Geistes zu seinem eigenen Körper bewegen wollte, ging Elise an der Tür zum Gästebad vorbei, und ein schwarzer Schatten sprang aus der Dunkelheit hervor.

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    Elise registrierte die schnelle Bewegung. »Ah!«, keuchte sie.
    O Gott, wer ist das? Nein!
    Sie wurde hart an der Seite getroffen und wirbelte durch die Diele. Ihre Schulter schlug gegen die Wand.
    Scheiße! Nein! O Gott! Wer ist das? Was geht hier vor?
    Er? Ist er es?
    Er stieß sie mit dem Rücken gegen die Wand.
    Wirres Haar und Bart.
    Er war es. Neal hatte keine Sekunde daran gezweifelt.
    Nein! Du bist tot! Warum bist du nicht tot!
    Ich muss etwas unternehmen, dachte Neal. Ich muss ihr helfen!
    Wenn ich schreie …?
    Plötzlich hämmerte der Angreifer mit den Fäusten auf ihren Bauch ein. Ihr blieb die Luft weg. Sie klappte vor Schmerz zusammen und sank auf die Knie.
    Sie hatte das Gefühl, ihr Bauch wölbte sich nach innen und ihre Lungen würden leer gepresst.
    Neal hatte Angst zu ersticken. Wie bei der Alka-Seltzer, nur zehnmal schlimmer.
    O Gott, er bringt mich um. Das darf nicht wahr sein. Was soll ich nur tun? Es muss eine Möglichkeit geben!
    Ich muss ihr helfen, dachte Neal. Soll ich verschwinden? Zu meinem Auto fliegen, hierhin rasen und dem Dreckskerl den Kopf wegblasen?
    Das schaffe ich niemals rechtzeitig.
    Warum zum Teufel bin ich nicht gleich zurückgefahren? Ich könnte jetzt schon hier sein!
    Bis ich wieder hier bin, wird alles schon vorbei sein.
    Vielleicht, vielleicht auch nicht.
    Elise bekam nun wieder etwas Luft. Sie kniete vornüber gebeugt auf dem Boden, umklammerte ihren Bauch und keuchte mit hängendem Kopf. Sie dachte weiter nach: Was soll ich tun? Ich muss ihn aufhalten. Er wird mich töten. Was soll ich tun? Es muss einen Ausweg geben. Ich darf nicht zulassen, dass er mich umbringt. Auf keinen Fall.
    Tief im Inneren schien sie überzeugt zu sein, dass sie nicht überleben würde. Sie fragte sich, wie viel Schmerz sie ertragen müsste. Und sie fragte sich, was sie an ihrem Leben am meisten vermissen würde. Und sie war froh, dass ihre Eltern nicht mehr lebten und erfahren würden, dass ihre Tochter ermordet worden war.
    Hoffnung an der Oberfläche, Verzweiflung darunter.
    Ich kann sie nicht retten, wenn ich hier bleibe, rief Neal sich selbst zu.
    Doch er wollte sie nicht allein lassen.
    Andererseits konnte er es nicht ertragen, zu bleiben und noch mehr davon mitzuerleben.
    »Steh auf, du Schlampe.«
    Neal dachte, ich komme zurück, Elise. Halt durch. Bitte!
    Aber er wusste, dass sie ihn nicht hören konnte. Sie hatte keine Ahnung, dass er überhaupt in ihr war.
    Der Angreifer packte Elise am Haar und zog. Sie stöhnte vor Schmerz. Neal spürte das Brennen auf ihrer Kopfhaut, als sie versuchte, aufzustehen.
    Ich muss mich wehren. Das ist die einzige Möglichkeit. Er ist angeschossen, oder? Garantiert. Er kann nicht mehr allzu viel Kraft haben.
    Auf einer tieferen Ebene wusste sie, dass er immer noch stark genug war, um mit ihr fertigzuwerden. Dass sie kaum eine Chance hatte.
    Zumindest werde ich kämpfend untergehen.
    Ich muss hier raus!
    Und er war draußen.
    In dem Augenblick, als Neal sich wünschte, zu gehen, wurde er aus Elises Körper gerissen und flog durch das Dach des Hauses. Er hatte keine Kontrolle darüber. Während er durch die Baumkronen schoss und Geschwindigkeit aufnahm, hatte er das Gefühl, die Anziehungskraft seines

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