Der Gast: Roman
verkrochen.
Nicht in einem Krankenhaus. So dumm wäre er nicht. Die Polizei würde ihn mit Sicherheit schnappen, wenn er dort seine Schusswunden behandeln ließ. Sie würden eins und eins zusammenzählen – sein Blut am Tatort, .380er-Hülsen am Tatort und bei ihm die passenden Einschusslöcher. Sie würden ihn auf jeden Fall mit dem Mord an Elise in Verbindung bringen.
Nein, Rasputin war nicht im Krankenhaus. Er war nach Hause gefahren, hatte sich so gut wie möglich zusammengeflickt und sich aufs Ohr gehauen.
Wahrscheinlich versucht er, mich heute Abend zu erwischen, dachte Neal. Aber nicht vor Einbruch der Dunkelheit.
Es war Juli, Sommerzeit, also würde es erst eine ganze Weile nach acht Uhr dunkel werden.
Neal nahm an, dass er zumindest bis dahin in Sicherheit wäre.
Nach dem Duschen trocknete Neal sich schnell ab und gab dabei acht, nicht die Abschürfungen an Knien und Ellbogen zu berühren. Die Wunden begannen zu verschorfen, aber sie waren noch offen und schmerzhaft. Er tupfte sie mit Toilettenpapier trocken. Das weiße Papier wurde nass, verfärbte sich jedoch nicht. Er warf es in den Mülleimer.
Und musste an das Toilettenpapier in Elises Mülleimer denken.
Es hatte von seinem Blut und Eiter einen rosafarbenen Ton angenommen.
Ein Indiz, das seine Anwesenheit am Tatort bewies.
Er hätte es in der Toilette hinunterspülen und dann durch Elises Haus gehen und überall seine Finger- und Schuhabdrücke wegwischen sollen.
Zu diesem Zeitpunkt war er zu erledigt gewesen.
Zu verängstigt und aufgebracht und verwirrt.
Es war ihm wie eine unlösbare Aufgabe vorgekommen und nicht wie eine wichtige Sache, die einfach erledigt werden musste. In diesem Moment war nur von Bedeutung gewesen, den Mörder zu finden, nicht, seine eigene Verstrickung zu verbergen.
Wenn er noch einmal in der Situation wäre, dann würde er …
Du kannst nicht zurückfahren, sagte er sich.
Es sei denn, die Leiche wurde noch nicht gefunden.
Er hängte das Handtuch auf, rollte sich Deo unter die Achseln, nahm die Pistole und öffnete die Tür. Nach der feuchten Hitze im Bad kam es ihm im Flur kühl vor. Und im Schlafzimmer ebenfalls.
Neal nahm eine verblichene blaue Sporthose aus der Kommode und zog sie an.
Er wollte die Schublade schließen, doch dann zögerte er und griff hinein. Zwischen den Socken fanden seine Finger das Armband.
Lass es dort, sagte er sich. Ich will es nicht tragen, wenn Marta auftaucht.
Er machte die Schublade zu und ging mit der Pistole ins Wohnzimmer. Auf der Uhr am Videorekorder stand 16:57. In drei Minuten kamen die Lokalnachrichten.
Schnell ging er in die Küche, nahm eine Dose Budweiser aus dem Kühlschrank, kehrte ins Wohnzimmer zurück und schnappte sich die Fernbedienung. Er schaltete den Fernseher ein. Auf dem Sofa sitzend riss er die Dose auf. Er trank einen Schluck und vergewisserte sich, dass er einen der drei Sender eingestellt hatte, die um fünf Nachrichten brachten.
Der Mord an Elise war der Aufmacher.
Sie haben sie gefunden.
Neal verspürte plötzlich den Drang, den Fernseher wieder auszuschalten. Er wollte es nicht sehen, wollte nichts darüber wissen.
Aber ich muss es sehen, sagte er sich.
Ein Foto von Elise wurde hinter dem Sprecher eingeblendet. Ein altes Foto. Sie war noch nicht richtig erwachsen und trug einen Badeanzug. Ihr Haar war nass. Sie sah wunderschön aus. Neal stöhnte.
»Die wohlhabende Gemeinde von Brentwood wurde wieder einmal von einem brutalen Mord in ihrer Mitte aufgeschreckt. Elise Waters, die ehemalige olympische Turmspringerin und Ehefrau des Schauspielers Vince Conrad, wurde heute Morgen in ihrem Haus in der Greenhaven Lane ermordet aufgefunden. Jody Bain berichtet live vom Tatort.«
Die Reporterin stand irgendwo in der Nähe von Elises Haus auf der Straße. »Die Putzfrau des Opfers, Maria Martinez«, begann sie, »machte die schreckliche Entdeckung gegen neun Uhr heute Morgen, als sie kam, um …«
Neal zuckte zusammen, als jemand an der Tür klopfte.
Dann erkannte er den schnellen leichten Rhythmus.
Marta.
»Gott sei Dank«, murmelte er und schaltete den Fernseher aus.
»Bist du zu Hause? Ich bin’s.«
Er versteckte die Pistole unter einem der Sofakissen und stand auf. »Einen Augenblick«, sagte er. Er überlegte, ins Schlafzimmer zu laufen und sich so weit anzuziehen, dass seine Verletzungen verdeckt wären. Doch früher oder später würde sie sie zwangsläufig sehen.
Also ging er zur Tür und machte ihr auf.
Als er Marta sah, spürte
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