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Der Gast: Roman

Der Gast: Roman

Titel: Der Gast: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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einiger Wohnungen, die den Hof umgaben. Und aus dem mit einem Vorhang verschlossenen Fenster seiner eigenen Wohnung im ersten Stock. Er hatte eine Lampe brennen lassen, da er nur kurz die Videos hatte zurückbringen wollen. Das Licht war die ganze Nacht an gewesen. Alle anderen Fenster zum Hof waren dunkel.
    Während Neal die Außentreppe erklomm, sah er zum Swimmingpool. Das Becken lag mitten im Hof. Die Spiegelung einiger Lichter schimmerte auf dem Wasser.
    Es wirkte sehr ruhig und friedlich.
    Neal musste an Elises Pool denken.
    Er stellte sich vor, wie sie nackt auf dem Sprungturm stand, hinuntersprang, sich drehte, durch die Luft wirbelte, vielleicht sogar mit den Händen die Zehen berührte, ehe sie durch die Dunkelheit ins kühle Wasser tauchte.
    Sie wird nie wieder springen.
    Seine Kehle schnürte sich zu.
    Wie konnte das geschehen?
    Er folgte dem Laubengang zu seiner Wohnungstür. Er schloss auf, trat ein, machte die Tür zu und verriegelte sie.
    Dann zog er die Pistole aus der Tasche.
    Er hielt die Waffe im Anschlag, während er durch die Zimmer ging.
    Er sagte sich, es gebe keinen Grund zur Beunruhigung. Der Mörder konnte sich nicht hier versteckt haben, er hatte kein Transportmittel.
    Zumindest keins, von dem ich weiß, korrigierte er sich.
    Vielleicht hat er für alle Fälle einen Ersatzwagen in der Nähe deponiert. Oder er hat ein Auto von Elises Nachbarn gestohlen.
    Oder hat er Elises Wagen genommen?
    Als er ihr Haus durchsucht hatte, hatte er auch in der Garage nachgesehen. Stellplätze für zwei Autos. Ein weißer Mercedes hatte dort gestanden. Zu diesem Zeitpunkt war er davon ausgegangen, dass dies ihr einziger Wagen war.
    Aber was, wenn dort noch ein zweiter stand?, fragte er sich. Der Mörder könnte damit weggefahren sein, ehe ich kam. Oder er könnte sich versteckt und den Mercedes gestohlen haben, nachdem ich wieder weg war.
    Hatte der Lieferwagen nicht die Einfahrt blockiert?
    Nicht völlig. Wahrscheinlich war noch genug Platz, um daran vorbeizukommen.
    Das Schwein könnte überall sein.
    Aber nicht hier. Nicht in Neals kleinem Wohnzimmer, dem Essbereich oder der Küche. Er hatte diese Räume schon überprüft, doch nun hatte er Angst, ins Bad zu gehen und das Licht anzuschalten.
    Er ist nicht da drin, sagte Neal sich.
    Er ist es nicht, wovor ich Angst habe.
    Wovor dann?, fragte er sich.
    Marta?
    Nackt und blutig, aufgeschlitzt und zerbissen, die ausgestreckten Arme gefesselt, als bäte sie um eine letzte Umarmung?
    »Sie ist arbeiten«, murmelte Neal. »Hier ist niemand. Niemand.«
    Mit zusammengebissenen Zähnen und angehaltenem Atem trat er ins Bad und drückte auf den Lichtschalter.
    Die Badewanne war weiß und sauber und leer.
    Niemand außer ihm war im Zimmer.
    Neal drehte sich zum Spiegel. Er blickte in sein eigenes Gesicht, doch es wirkte ganz anders, als er es je zuvor gesehen hatte. Ausgezehrt, benommen, verschreckt. Ein Gesicht, wie man es bei dem letzten Überlebenden einer gescheiterten Wüstenexpedition erwarten würde.
    Er wandte sich vom Spiegel ab und verließ das Bad.
    An der Tür zum Schlafzimmer zögerte er nicht, sondern trat hinein und schaltete das Licht an. Gut. Alles schien an seinem Platz zu sein. Doch er sah zur Sicherheit im Wandschrank und unter dem Bett nach.
    Dann holte er eine Schachtel Munition aus der obersten Schublade seiner Kommode. Er füllte beide Magazine auf. Eines davon schob er in den Griff der Sig Sauer und drückte mit dem Handballen dagegen, bis es einrastete. Er lud eine Kugel in die Kammer. Nachdem er sie gesichert hatte, legte er die Waffe zur Seite, um sich auszuziehen.
    Er ließ seine Kleider einfach auf den Boden fallen. Jetzt hatte er keine Lust, sich darum zu kümmern.
    Er hatte immer noch das Armband am Handgelenk.
    Keine Ausflüge mehr, dachte er. Nicht heute Nacht.
    Er trug das Armband gern. Es vermittelte ihm das Gefühl, noch eine Verbindung zu Elise zu halten.
    Doch es könnte sein, dass Marta auftauchte. Sie kam um acht von der Arbeit und könnte vorbeikommen, anstatt in ihre eigene Wohnung zu fahren.
    Manchmal besuchte sie ihn unangemeldet, und sie hatte einen Schlüssel.
    Deshalb zog Neal das Armband aus. Er legte es zwischen die Socken in der Kommodenschublade.
    Dann nahm er die Pistole und ging ins Wohnzimmer. Er schaltete die Lampe aus und löschte auch in der Küche das Licht. Im Bad legte er die Waffe auf den Waschtisch, sodass er sie leicht erreichen konnte.
    Er wusch sich, putzte sich die Zähne und ging auf die

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