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Der Gast: Roman

Der Gast: Roman

Titel: Der Gast: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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nach rechts und öffnete das Handschuhfach. Das Licht darin ging an.
    Leer.
    Genauso leer wie Elises Brusttasche, als er nach seiner Karte gesucht hatte.
    Die Zulassungspapiere hätten im Handschuhfach sein sollen – mit dem Namen und der Adresse des Mörders.
    Der Wagen ist wahrscheinlich gestohlen.
    Neal stellte sich vor, wie der Mörder zurückkam, ins Auto stieg und trotz der beiden zerschossenen Reifen davonfuhr. Er sah den Wagen vor seinem inneren Auge mit Schlagseite die Straße entlangfahren. Er hörte das laute Wummern der platten Reifen.
    Er sprang hinaus, ging in dem Dreieck zwischen offener Tür und Einstiegsleiste in die Hocke und griff unter das Armaturenbrett. Dort ertastete er mehrere Kabel und riss sie heraus.
    Vor dem Wagen zerschmetterte er mit dem Pistolengriff beide Scheinwerfer.
    Dasselbe machte er mit den Rücklichtern.
    Er überlegte, ob er die beiden anderen Reifen auch noch zerschießen sollte, hielt es jedoch für sinnlos. Wenn der Kerl mit zwei platten Reifen davonfahren konnte, warum dann nicht auch mit vieren?
    Außerdem würde die Polizei wahrscheinlich auftauchen, wenn er noch mehr Schüsse abgab.
    Ja, klar. Es gibt keine Polizisten, weißt du nicht mehr?
    Alles ist auf den Kopf gestellt, alles ist im Arsch.
    Verlass dich lieber nicht drauf.
    Sollen sie doch kommen, dachte er.
    Und trat vor die Motorhaube des Wagens.
    Er jagte vier Kugeln durch den Kühlergrill; bei jedem Schuss ruckte die Waffe in seiner Hand. Danach dröhnte es in seinen Ohren, und aus dem Wagen drang ein Zischen. Er hörte das Klingeln einer rollenden Patronenhülse. Dann spritzte Kühlwasser auf die Einfahrt.
    Mit dem Wagen kommt der Drecksack nicht mehr weit.
    Neal dachte über die Patronen nach. Die Polizei würde mit Sicherheit die vier Hülsen finden, die seine Pistole ausgespuckt hatte.
    Na und? Ich habe schon so viele Spuren hinterlassen, da kommt es darauf auch nicht mehr an.
    Als er zu seinem Auto ging, hoffte er, der Mörder würde sich dort drin versteckt halten.
    Schussbereit sah er durch die Fenster.
    Niemand da.
    Auch während er aus der Einfahrt zurücksetzte und langsam und mit ausgeschalteten Scheinwerfern die Greenhaven Lane entlangfuhr, konnte er niemanden sehen.
    Ehe er auf den San Vicente bog, schaltete er das Licht ein.
    Auf dem langen Weg zu seiner Wohnung sah er ständig in den Rückspiegel.
    Niemand schien ihm zu folgen.
    Insgesamt bemerkte er fünf Polizeiwagen. Zwei waren offenbar routinemäßig auf Streife, einer raste mit hoher Geschwindigkeit vorbei, ein anderer hatte einen Motorradfahrer angehalten und ein weiterer stand auf dem Parkplatz von McDonald’s. Jedes Mal durchzuckte ihn ein fürchterlicher Schrecken.
    Ihm wurde bewusst, dass er sich etwas vorgemacht hatte: Es bereitete ihm durchaus Sorgen, verhaftet und des Mordes an Elise beschuldigt zu werden. Schon bei dem Gedanken drehte sich ihm der Magen um.
    Sie würden ihm das niemals anhängen können.
    Doch sie hätten mit Sicherheit genug Indizien, die bewiesen, dass er am Tatort war. Er würde verhaftet, ins Gefängnis gesteckt, und vielleicht angeklagt und vor Gericht gestellt werden.
    Falls es so weit kam, müsste er womöglich monatelang im Gefängnis bleiben. Vielleicht sogar ein Jahr oder noch länger. Er würde wahrscheinlich freigesprochen werden. Aber vielleicht würden sie ihn auch schuldig sprechen.
    Es war ein besonders grausamer Mord. Dafür könnte er die Todesstrafe bekommen.
    Hinrichtung durch die Giftspritze.
    Dazu wird es niemals kommen, sagte er sich. Zu viele begründete Zweifel. Sie würden vermutlich nicht einmal Anklage erheben.
    Aber möglich war alles. Er könnte auch vor Gericht gestellt und verurteilt werden.
    Diese Nacht hatte ihn vieles gelehrt.
    Die wichtigste Lektion: Es geschieht immer das Schlimmstmögliche.
    Neal fuhr auf seinen Parkplatz hinter dem Haus, atmete tief durch, seufzte und murmelte: »Geschafft.«
    Er blieb noch eine Weile im Auto sitzen und versuchte, sich zu beruhigen.
    Aufzuhören zu zittern.
    Der Montagmorgen dämmerte schon grau, als Neal schließlich aus dem Wagen stieg. Er steckte die Pistole in die Hosentasche und ging zum Hintereingang. Elises Goldarmband hing schwer an seinem Handgelenk.
    Vielleicht kann ich den Mistkerl damit aufspüren.
    Zu müde.
    Er findet mich sowieso. Er weiß, wo ich bin, wenn er meine Visitenkarte hat.
    Soll er doch kommen.
    Neal schloss vorsichtig das Tor, um niemanden durch das Klirren aufzuwecken.
    Das einzige Licht kam von den Außenlampen

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