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Der Gast: Roman

Der Gast: Roman

Titel: Der Gast: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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brauchte eine Mitfahrgelegenheit.«
    »Du hast gesagt, du findest immer jemanden, der dich mitnimmt.«
    »Aber nur, wenn keine Frauen dabei sind. Die Frauen wollen nie, dass die Typen mich mitnehmen. Frauen sind immer so zankisch. Hast du das noch nicht gemerkt?« Sie sah ihn mit hochgezogenen Brauen an.
    Neal fiel auf, wie golden ihre Augenbrauen waren. In ihren großen blauen Augen spiegelten sich Unschuld und Heiterkeit und Erstaunen.
    »Du meinst zänkisch?«
    »Ja, zankisch.«
    »Tja«, sagte er. »Ich weiß nicht.«
    »Du meisten Jungs sind entspannt und nett. Zumindest tun sie so. Deshalb mag ich Jungs. Sie zicken nicht so rum.«
    »Ich finde, es gibt auch eine Menge üble Kerle«, sagte Neal. »Ich bin schon einigen begegnet. Und ich habe auch schon sehr nette Frauen kennengelernt.«
    »Zum Beispiel?«
    »Dich und Marta.«
    »Ha! Mich? Vielen Dank. Wieso glaubst du, ich wär nett?«
    »Ach, das merke ich einfach.«
    »Tja, ich hab dich reingelegt. Ich bin der letzte Dreck! Da kannst du jeden fragen!«
    Er sah sie an und brach in lautes Gelächter aus.
    So lustig ist es auch nicht, dachte er. Aber er konnte nicht anders. Er konnte einfach nicht aufhören. Tränen traten in seine Augen und liefen ihm über die Wangen.
    Beruhige dich, sagte er sich.
    Neal atmete tief durch und wischte sich über die Augen. Er war gerade dabei, die Fassung wiederzuerlangen, als die Szene noch einmal vor seinem inneren Auge ablief. »Tja, ich hab dich reingelegt. Ich bin der letzte Dreck!«
    Wieder begann er hysterisch zu lachen, und neue Tränen füllten seine Augen.
    »Alles klar?«, fragte Sue nach einer Weile. »Wenn du mich fragen tust, ich find nicht, dass das so lustig war.«
    »Also … Entschuldigung.«
    »Du bist doch nicht irgendwie durchgeknallt oder so?«
    Neal quiekte. Er lachte und weinte so heftig, dass er kaum noch die Straße erkennen konnte.
    Er fuhr auf den Seitenstreifen und hielt an. »Es tut mir leid«, keuchte er. »Ich … kann nicht anders.« Er rang nach Atem. »Es … geht gleich wieder. Nur einen Moment.« Er wischte sich über die Augen. Nachdem er sich beruhigt hatte, sagte er: »Ich weiß selber nicht, was mit mir los ist.«
    »Geht’s dir gut?« Sie wirkte besorgt.
    Neal nickte. Er trocknete noch einmal seine Augen und beobachtete den Verkehr. Ein Lastwagen fuhr vorbei. Dann war die Straße frei, sodass er beschleunigen und sich wieder einfädeln konnte.
    »Cooles Armband«, sagte Sue.
    Bei diesen Worten wurde Neal schlagartig klar im Kopf.
    Jetzt kommt’s, dachte er. Lass dir nichts anmerken. »Danke.«
    »Woher hast du das?«
    »Von Marta. Sie hat es mir zum Geburtstag geschenkt.«
    »Warum schenkt sie dir ein Armband? Das ist doch was für Mädchen.«
    Neal zuckte die Achseln und lächelte sie an. »Das ist ein Männerarmband. Es ist die Nachbildung eines alten ägyptischen Fundstücks. Ich bin eine Art Hobby-Ägyptologe.«
    Übertreib es nicht, dachte er. Warum eigentlich nicht? Sie hat doch keine Ahnung.
    Sue betrachtete das Armband und rümpfte die Nase. » Was ist das?«
    »Die Nachbildung eines alten ägyptischen Armbands, das im Grab von Tutanchamun gefunden wurden. Es sollte den jungen Pharao im Jenseits vor Schlangen schützen.«
    »Echt?«
    »Ja.«
    »Hatten die Schlangen im Jenseits?«
    »Die alten Ägypter haben daran geglaubt. Sie hatten Angst vor Giftschlangen. So ist auch Kleopatra gestorben. Eine Aspisviper hat ihr in den Hintern gebissen.«
    Sue lachte. »Jetzt weiß ich, dass du mich verarschst.«
    Neal ließ das Lenkrad los und wedelte mit der Hand in der Luft. »Seit ich dieses Ding trage, bin ich nicht mehr von einer Schlange gebissen worden.«
    »Lass mal sehen.«
    Als sie danach griff, zog er die Hand zurück und umklammerte das Lenkrad.
    »Komm schon, lass mich mal sehen. Ich renn schon nicht damit weg. Mann!«
    »Du hast es doch schon gesehen.«
    »Komm.« Sie klopfte mit den Knöcheln auf das Armband. »Gib mal her.«
    Was kann es groß schaden?, überlegte er. Solange sie es nicht küsst.
    Ich kann sie schlecht davor warnen.
    »Aber sei vorsichtig.« Er löste die Hand vom Lenkrad und streckte sie Sue entgegen.
    »Danke.« Sie zog das Armband von seinem Handgelenk. »He, ganz schön schwer. Ist das Ding aus massivem Gold?«
    »Nein«, sagte er. »Es ist nur vergoldet.«
    »Ich finde, es sieht echt aus.« Sie legte es an, drehte es langsam um ihr Handgelenk und betrachtete es dabei. »Es ist wirklich eine Schlange. Und guck dir die Augen an. Die Edelsteine. Was für

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