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Der Gast: Roman

Der Gast: Roman

Titel: Der Gast: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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sonst Marta erzählen?
    Selbst wenn wir nicht miteinander schlafen …
    Neal schlief ein.
    Er wachte schlagartig auf, als die Bremsen kreischten und er in den Sicherheitsgurt gedrückt wurde.
    Er begriff nicht, was geschehen war.
    »Entschuldigung«, sagte Sue.
    »Mein Gott! Was ist los?«
    »Eine Katze ist auf die Straße gerannt. Zum Glück hab ich sie nicht erwischt.« Sie sah besorgt in den Rückspiegel.
    »Du hast mich zu Tode erschreckt«, sagte Neal. Sein Herz raste immer noch.
    »Ich wollte das Tier auf keinen Fall zermatschen. Ich mag Kätzchen.«
    Neal atmete tief durch und versuchte, sich zu beruhigen. »Ich wusste nicht, was passiert ist.«
    »Ich wollte dich sowieso wecken. Ich bin am verhungern, und wir kommen bald in einen Ort. Sollen wir vielleicht anhalten und was essen?«
    »Klar. Wie lange habe ich geschlafen?«
    »Ach, ich schätze, so zehn Minuten.« Sie grinste ihn an. »Bist du jetzt munterer?«
    Er lachte. »Ich bin hellwach, so viel ist sicher.«
    Ein paar Minuten später hielten sie in einem Ort namens Lee Vining vor Yosemite Slim’s Café. Neal hatte keinen großen Hunger, deshalb bestellte er nur eine Portion scharfe Hähnchenflügel. Am liebsten hätte er dazu ein Bier getrunken, doch da er gleich fahren musste, entschied er sich für eine Cola. Sue nahm einen Cheeseburger mit Pommes frites und ebenfalls eine Cola.
    Ihre Getränke wurden sofort gebracht. Während sie auf das Essen warteten, betrachtete Sue die anderen Gäste.
    »Hast du das Armband dabei?«
    »In meiner Tasche. Aber wir werden es hier nicht benutzen, falls du daran gedacht hast.«
    »Nur mal ganz kurz, okay? Der Junge da drüben hat einen Milchshake. Ich will mal probieren, wie er schmeckt.«
    »Du hättest dir einen bestellen können.«
    »Hast du eine Ahnung, wie viele Kalorien so ein Shake hat?«
    »Hast du eine Ahnung, wie viele Kalorien ein Cheeseburger mit Pommes hat?«
    Sue lachte. »Tja, irgendwo muss man sich eine Grenze setzen, sonst ist man irgendwann fett wie eine Tonne. Komm schon. Gib ihn mir unter dem Tisch.«
    Neal wollte kein Spielverderber sein. Wenn sie auf Stühlen gesessen hätten … doch sie saßen einander gegenüber in einer Nische.
    Ihm fiel kein guter Grund ein, ihre Bitte abzuschlagen.
    Warum soll ich sie nicht lassen, wenn sie unbedingt will?
    »Na gut«, sagte er. Als er das Armband aus der Tasche zog, erklärte er ihr, dass sie sich gegen die Wand lehnen und sich abstützen solle. »Du willst doch nicht unter den Tisch fallen.«
    Er streckte unter dem Tisch die Hand aus und spürte, wie Sue ihm das Armband aus den Fingern nahm.
    »Danke«, flüsterte sie. Sie grinste und wackelte mit den Augenbrauen. Dann rutschte sie ein wenig zur Seite und lehnte sich nach links, bis ihre Schulter die Wand berührte.
    »Los geht’s«, sagte sie.
    Neal fühlte sich wie ein Verschwörer, wie ein Komplize bei einem Verbrechen. Sein Herzschlag beschleunigte sich, als Sue den Kopf senkte.
    »Ist die Luft rein?«, fragte sie.
    Neal sah sich um. Niemand näherte sich ihnen oder sah sie an. »Ja.«
    Sue hob die rechte Hand mit dem Armband. Sie strich mit den Lippen darüber und erschlaffte mit einem Mal. Ihr Arm fiel herab.
    Sie sah aus, als schliefe sie.
    Neal versuchte, einen entspannten Eindruck zu machen, und trank mit dem Strohhalm einen Schluck Cola.
    Sue begann hinabzurutschen.
    O Gott!
    Sie lehnte noch an der Wand, doch ihr Hintern glitt über das Sitzkissen nach vorn, und der Oberkörper sackte immer weiter nach unten.
    Neal streckte sein rechtes Bein aus und blockierte ihre Knie.
    Sie hörte auf zu rutschen.
    Doch sie war schon gefährlich weit unten. Die Brüste befanden sich auf Höhe der Tischkante. Neal nahm an, dass ihr Hintern schon halb von der Bank gerutscht war. Der Druck gegen sein Bein schien stärker zu werden.
    Neal drehte sich um und sah zu dem Kind mit dem Milchshake. Der Junge saß mit der rechten Seite zu Neal.
    Neal hatte keine Chance, seinen Blick einzufangen.
    Ich hätte sie das nie tun lassen dürfen.
    Komm zurück!, rief er in Gedanken.
    Der Junge biss ein großes Stück von einem Würstchen ab.
    Ist sie überhaupt in ihm? Vielleicht hat sie sich für jemand anderen entschieden. Vielleicht ist sie in mir. »Sue? Bist du da drin? Hallo? Wenn du da drin bist, komm verdammt noch mal raus. Sofort! Du fällst unter den verfluchten Tisch!«
    Neals Bein war das Einzige, was sie aufrecht hielt. Es begann, vor Anstrengung zu zittern.
    Er hustete laut.
    Mehrere Leute sahen zu ihm herüber.

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