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Der Gast: Roman

Der Gast: Roman

Titel: Der Gast: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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lange in dem Jungen geblieben. Dafür tu ich mich auch entschuldigen.«
    Sie will sich mit mir versöhnen. Großartig!
    »Wie war der Milchshake?«, fragte Neal.
    Sie zog einen Mundwinkel hoch. »Ich hab nur einen Schluck abgekriegt. Das verdammte Zeug war so dickflüssig, dass der arme Rotzlöffel es kaum durch den Strohhalm saugen konnte. Ich dachte schon, er saugt sich die eigenen Augäpfel in den Schädel. Aber das Würstchen war lecker. Gegrillt, deshalb war die Haut schön knusprig. Mhm.«
    »Freut mich, dass es dir geschmeckt hat.«
    »Ich weiß nicht, ob es sich gelohnt hat, sich dafür das Kinn aufzuschlagen.«
    Neal atmete tief durch. »Wir müssen beide viel vorsichtiger sein, wenn wir das Armband benutzen.«
    Sie grinste. »Wir haben einen ganz schönen Tumult ausgelöst, was?«
    »Großer Gott.« Neal schüttelte den Kopf. »Der Dicke wollte unbedingt einen Krankenwagen rufen.«
    »Und das kleine Mädchen erst, das sich die Seele aus dem Leib geschrien hat!«
    »Findest du das lustig?«
    »In dem Moment fand ich’s nicht lustig«, sagte sie lachend.
    »Im Rückblick hingegen«, meinte Neal, »gibt es nichts Lustigeres, als ein kleines Mädchen zum Weinen zu bringen.«
    Sue lachte lauter. Dann zuckte sie zusammen und hielt sich eine Hand ans Kinn. Es schien einen Augenblick zu dauern, bis der Schmerz nachließ. »Weißt du, was das Schlimmste war?«, sagte sie dann. »Da unten eingeklemmt zu liegen, während alle auf meinen Liebestöter starrten.«
    »Auf deinen Liebestöter?«
    »Meine Unterhose.«
    »Ich weiß, was ein Liebestöter ist. Ich wundere mich nur ein bisschen, dass du so ein Wort kennst. Wo hast du das denn aufgeschnappt?«
    »So hat mein Papi es immer genannt.«
    »Aha.«
    »Jedenfalls fühlt man sich nicht gerade wie eine Discoqueen, wenn man so auf dem Rücken liegt und jedem Trottel im ganzen Land sein Höschen zeigt.«
    »Es sah gut aus«, sagte Neal.
    »Vielen Dank«, antwortete Sue errötend.
    Vor ihnen zweigte eine Straße zum Ufer des Mono Lake ab. »Bist du sicher, dass du nicht zum Wasser willst?«, fragte Neal. »Wir haben genug Zeit. Wie es aussieht, sind wir noch vor zwei Uhr in The Fort. Vor drei kann man meistens nicht im Motel einchecken.«
    Sue zog die Brauen hoch und lächelte. »Sagst du am Empfang, ich wär deine Frau?«
    »Wir haben keine Ringe.«
    »Vorhin im Café hat dich das auch nicht davon abgehalten.«
    »Ich musste ihnen irgendwas erzählen. Sie dachten schon, ich hätte dich entführt.«
    »Wir können uns in einem Souvenirladen Ringe kaufen«, sagte Sue. »Oder wir sagen, ich bin deine Schwester.«
    Neal musste plötzlich an Karen und Darren denken.
    »Gott, nein«, sagte er. »Ich will auf keinen Fall, dass die Leute denken, ich hätte was mit meiner Schwester.«
    »Also, dann bin ich einfach weiter deine Frau.«
    »Das wäre besser. Oder wir könnten Einzelzimmer nehmen.«
    »Nein! Ich will nicht ganz allein in irgendeinem alten Motel sein. Ich hasse das. Außerdem kostet es das Doppelte. Nein, danke. Ich bin einfach deine Frau. Es interessiert doch niemanden, dass wir keine Ringe haben. Verdammt, es interessiert nicht mal jemanden, ob wir verheiratet sind.«
    »Das kann man nie wissen. Wenn wir bei irgendeiner alten prüden Hexe einchecken müssen …«
    »Dann übernachten wir woanders. Hey, ich hab auch schon im Auto geschlafen. Das können wir immer noch tun.«
    »Hoffen wir, dass es nicht so weit kommt.«
    »Jetzt sind wir an der Straße zum See vorbei«, bemerkte Sue.
    Neal warf einen Blick in den Rückspiegel. »Ich kann umdrehen.«
    »Nein, lass uns einfach weiterfahren, damit wir bald ankommen.«
    Sie brauchten länger, als Neal erwartet hatte; er hatte nicht ahnen können, dass sie die letzten achtzig Kilometer über eine schmale kurvige Bergstraße fahren mussten. Dort kamen sie nur halb so schnell voran wie auf dem Highway. Sie würden eine Stunde länger brauchen – wenn sie überhaupt ankamen.
    Einmal in der Kurve nicht aufgepasst …
    Ihm wurde jedes Mal ein wenig mulmig zumute, wenn er einen Blick über den Rand der Straße warf.
    Ein tiefer Abgrund.
    Hin und wieder fuhren sie an Kreuzen am Straßenrand vorbei.
    »Da hat wohl jemand den Löffel abgegeben«, sagte Sue, als sie das erste Kreuz entdeckte.
    »Kein Wunder, dass The Fort nie ein richtig großer Wurf wurde«, meinte Neal. »Bei den ganzen potenziellen Besuchern, die auf dem Weg dorthin ins Gras gebissen haben.«
    »Warum liegt es so weit oben?«, fragte Sue.
    »Es war einmal eine

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