Der Gast: Roman
wenigstens die Anzahlung zusammen.«
Neal schüttelte den Kopf. »Es ist eine nette Idee, aber es wird nicht klappen. Niemand wird uns auch nur einen Cent geben ohne einen Beweis, dass das Armband funktioniert. Und wenn die Leute herausfinden, dass es funktioniert, werden sie versuchen, es uns wegzunehmen. Niemand soll wissen, welche Fähigkeiten das Armband hat. Niemand außer dem, der es hat. Du solltest es eigentlich auch nicht wissen. Du hast es nur durch Zufall rausgefunden. Wir können nicht durch die Gegend laufen und jedem davon erzählen. Manche Leute würden uns wahrscheinlich umbringen, um das Ding zu bekommen.«
Sie schob die Unterlippe vor und blies die Luft aus. Ihr Pony wirbelte hoch. »Ich wüsste nicht, warum uns jemand wegen einem Armband umbringen sollte, mit dem man noch nicht mal Geld verdienen kann.«
Lass sie das ruhig weiter glauben, sagte sich Neal. Es ist besser, wenn sie es nicht weiß.
Sie starrte wieder finster vor sich hin. Nach einer Weile sagte sie: »Es muss eine Möglichkeit geben. Irgendwas, womit man reich wird.«
»Wenn dir etwas einfällt«, sagte Neal, »dann sag mir Bescheid.«
Er schaltete das Radio ein. Statisches Rauschen knisterte und zischte aus den Lautsprechern. Er drückte den Suchlauf. Das Radio suchte ein starkes Signal und fand einen Sender, auf dem der Evergreen »I Fall to Pieces« lief.
»Ich liebe die gute alte Patsy Cline«, sagte Sue.
»Ich auch«, meinte Neal.
Er sah Sue an. Mit traurigem und wehmütigem Gesichtsausdruck sang sie lautlos mit.
Mein Gott, sie ist noch so jung.
Jung und süß und verletzlich, voller verrückter Ideen und schlichter Träume.
Neal spürte, wie sich seine Kehle zusammenschnürte.
Und er dachte, dass er Sue vielleicht helfen sollte, das Geld für ihren Jeep Cherokee mit Allradantrieb zu bekommen.
26
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Zur vollen Stunde wurde die Musik von Nachrichten unterbrochen.
In der dritten Meldung ging um Elise.
»Im Mordfall Elise Waters, der ehemaligen olympischen Turmspringerin, hat die Polizei bisher noch keine Verdächtigen festgenommen, doch ihr Ehemann, der Schauspieler Vince Conrad, gab heute Morgen eine Pressekonferenz und kündigte an, eine Belohnung in Höhe von fünfzigtausend Dollar auszusetzen für Hinweise, die zur Ergreifung und Verurteilung des Täters oder der Täter führen. Conrad, der gestern aufgrund der Nachricht vom Tod seiner Frau aus Hawaii zurückkehrte, teilte der Presse mit …« Es folgte Conrads Stimme auf der Pressekonferenz: »Die Welt hat durch den grausamen Mord an Elise etwas sehr Wertvolles verloren. Aber ich bin zuversichtlich …« Seine Stimme brach, und Neals Augen füllten sich mit Tränen. »Ich hoffe einfach, dass diese Bestie, die ihr das angetan hat, gefasst und … der Gerechtigkeit zugeführt wird.«
»Und nun weitere Meldungen des Tages …«, fuhr der Nachrichtensprecher fort.
Sue schaltete das Radio aus. »Sie sind wohl noch nicht hinter dir her. Bis jetzt.«
»Man kann nie wissen«, sagte Neal. »Die Polizei behält vieles für sich.«
»Glaubst du, ich würde die Belohnung kriegen, wenn ich dich ausliefere?«
»Vielleicht«, gab er mit einem unguten Gefühl zu. »Aber sie müssten mich verurteilen. Und ich war’s nicht.«
»Tja, keine Sorge. Ich verpfeif dich nicht.«
»Danke.« Er fragte sich, ob sie die Wahrheit sagte.
»Außerdem«, sagte Sue, »glaub ich, dass ihr Mann sie umgebracht hat.«
Neal sah sie an.
»Ja«, sagte sie und nickte.
»Ich weiß, wer es getan hat. Es war nicht Vince Conrad. Es war der Mann, auf den ich geschossen habe. Rasputin.«
»Aber wer sagt denn, dass Conrad Rasputin nicht angeheuert hat?«
»Es gibt keinen Grund, das zu glauben«, sagte Neal.
»Hast du ihn reden gehört?«
»Er klang mitgenommen.«
»Tja, er ist ein Schauspieler. Solche Typen können das auf Kommando. Ich finde, es klang gespielt. Er war irgendwie zu traurig .«
»Sie war seine Frau.«
»Ja, aber sie waren getrennt, oder? Wollten sich scheiden lassen?«
»Offenbar.«
»Da haben wir’s.« Sie nickte Neal entschieden zu, als hätte sie soeben ihre Anschuldigungen bewiesen.
»Es lassen sich ständig irgendwelche Leute scheiden«, gab Neal zu bedenken.
»Manchmal schlitzen sie auch lieber ihrer Frau die Kehle auf.«
»Das kommt ziemlich selten vor«, sagte Neal. »Sogar in Brentwood.«
»Ist natürlich praktisch, dass der gute alte Vince zufällig gerade in Hawaii war, als sie ermordet wurde. Ich meine, ein besseres Alibi kann man kaum haben.«
»Das
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