Der Gast: Roman
Fremde mitgenommen, ihr deine Lebensgeschichte erzählt und ihr gesagt, dass du in einen Mord verwickelt bist – und dich bereit erklärt, die Belohnung für Rasputin mit ihr zu teilen?«
Neal verzog das Gesicht. »Ich schätze, das klingt irgendwie seltsam.«
Als Marta weiterredete, war kein Funken Humor mehr in ihrer Stimme. »Tja«, sagte sie. »Es ist dein Leben.« Nach einer langen Pause fragte sie: »Und was ist mit mir? Oder passe ich da nicht mehr rein?«
»Natürlich passt du da rein.«
»Hast du dich schon in sie verliebt?«
»Nein!«
»Bist du sicher? Bei Elise hat es ungefähr zwei Minuten gedauert …«
Ich hätte es ihr nicht erzählen sollen.
»Und wie lange bist du jetzt mit diesem Mädchen zusammen?«
»Den Großteil des Tages, glaube ich. Aber wir sind nicht … Ich bin nicht in sie verliebt. Sie ist ein Hohlkopf, ein achtzehnjähriges Kaugummi kauendes Mädchen, das nichts in der Birne hat. Mein Gott, du solltest hören, wie sie redet – wie die letzte Hinterwäldlerin.«
»Und wo verbringt sie die Nacht?«
»Ich habe ihr ein separates Zimmer gebucht.«
So viel zum Thema Wahrheit.
»Tja«, sagte Marta. »Wie auch immer. Es ist dein Leben.«
»Ich liebe dich , Marta. Das Mädchen interessiert mich überhaupt nicht. Ich kann sie bloß nicht einfach am Straßenrand aussetzen.«
»Hat sie kein Zuhause?«
»Nein. Kein richtiges.«
»Was willst du mit ihr anstellen?«
»Nichts!«
»Das meinte ich nicht. Aber vielleicht geht es mich ja auch nichts an.«
»Natürlich geht es dich etwas an. Ich weiß noch nicht, was ich mit ihr mache. Vielleicht nehme ich sie mit zurück nach Los Angeles. Das will sie jedenfalls.«
»Klasse.«
Neal stöhnte. »Hör zu«, sagte er. »Ich werde versuchen, sie loszuwerden. Aber ich weiß nicht, ob ich es schaffe. Ich meine, sie ist wirklich aufdringlich. Trotzdem tue ich, was ich kann. Du hast ja keine Ahnung, was für eine Nervensäge sie ist. Ich könnte mir nichts Schöneres vorstellen, als sie loszuwerden. Aber sie tut mir auch leid. Ich meine, sie hat niemanden.«
»Sie hat dich«, sagte Marta.
»Auf ein Art. Aber nicht …«
»Ich muss jetzt los.«
Neal zog eine Grimasse. »O Mann«, murmelte er.
»Es tut mir leid. Ich wäre gern großzügig und voller Verständnis für alles, aber …« Ihre Stimme brach. »Ich muss gehen. Viel Spaß noch. Tschüss.« Sie legte auf.
Scheiße!
Neal hängte den Hörer ein und starrte das Telefon an.
Sie glaubt, ich hätte was mit Sue! Verdammt! Hat sie nicht zugehört? Das ist ungerecht!
Neal hob den Hörer wieder ab und wählte noch einmal Martas Nummer.
Er lauschte dem Freizeichen.
Komm schon, ich weiß, dass du da bist. Nimm ab. Verdammt!
»Also gut«, murmelte er.
Wenn sie Spielchen spielen will, dann ohne mich.
Er legte auf.
Er atmete schwer, und sein Herz klopfte. In seinem Innern verspürte er einen Schmerz, als hätte er sie verloren.
Und das ohne echten Grund.
Nur weil er nett zu jemandem gewesen war.
Er bemerkte, dass er die Hände zu Fäusten geballt hatte. Am liebsten hätte er auf das Telefon eingeschlagen.
Oder auf Marta.
Er öffnete die Hände und schüttelte sie aus.
Es kommt schon wieder in Ordnung, dachte er. Sie hat es nur falsch verstanden.
Wie kommst du darauf, dass sie es jemals richtig versteht?
»Wen kümmert’s«, stieß er aus.
Soll sie doch denken, was sie will. Wenn sie die Wahrheit nicht hören will, dann zum Teufel mit ihr.
Er wandte sich von dem Telefon ab und ging zurück durch das Kasino. Er hatte Sue schon zu lange allein gelassen.
Was sie wohl denkt?, fragte er sich. Vielleicht glaubt sie, ich würde in irgendeinem Hinterzimmer die Rezeptionistin bumsen.
Frauen!
Ich hätte Marta nicht von ihr erzählen sollen. Das war ein großer Fehler. Darauf zu vertrauen, dass sie es versteht.
Nur, weil sie sich wegen Elise nicht aufgeregt hat …
Wer sagt eigentlich, dass sie sich nicht aufgeregt hat?
Vielleicht hat sie sich nur nichts anmerken lassen.
Außerdem war Elise schon tot, als ich dieses dämliche Geständnis gemacht habe, dass ich mich in sie verliebt hatte. Da konnte sie mich Marta wohl kaum wegnehmen.
Wohingegen Sue quicklebendig und eine Bedrohung ist.
Während er über den Hotelparkplatz ging, konnte er sie durch die Heckscheibe seines Wagens sehen. Sie schien gegen die Beifahrertür gesackt zu sein.
Neal ging zur anderen Seite. Als er sich hinter das Steuer setzte, richtete sie sich auf. Sie sah ihn an. Obwohl sie lächelte, waren ihre Augen
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