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Der Gastprofessor

Der Gastprofessor

Titel: Der Gastprofessor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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Sie über den Serienmörder, das ich nicht weiß?« fragt er, ohne aufzuschauen.
    »Ich habe den Moderator einer Hörersendung im Radio angerufen und ihm gesagt, daß die Serienmorde nicht zufällig sind. Er hat versprochen, diese Mitteilung ans Büro des Sheriffs weiterzuleiten.«
    Der Sheriff hebt langsam den Blick. »Woher wolln Sie wissen, daß die Morde nich zufällig sind?«
    »Diese Verbrechen mögen zufällig erscheinen, aber diese vermeintliche Zufälligkeit ist nichts anderes als unsere Unwissenheit.«
    Der Sheriff schürzt die Lippen. »Was sind Sie denn, so eine Art Kriminologe?«
    »Ich bin ein Zufallsforscher, der noch nie auf reine Zufälligkeit gestoßen ist, aus dem simplen Grund, daß es sie höchstwahrscheinlich nicht gibt. Ich kann zu Ihnen sagen, daß es eine Gesetzmäßigkeit in den Morden gibt, wir müssen sie nur finden.«
    Sheriff Combes, der sich von niemandem ins Bockshorn jagen läßt, klappt seine Kladde zu und nimmt Lemuel mit den Augen Maß. In der Branche hat er den Ruf, in der Lage zu sein, Größe und Gewicht eines Mannes mit einer Genauigkeit von einem Zoll und zwei Pfund anzugeben. »Ich schätze Sie auf fünf Fuß neun Zoll und hundertsiebzig Pfund.«
    Lemuel rechnet rasch Zoll in Zentimeter und Pfund in Kilo um. »Woher wissen Sie das?«
    Der Sheriff übergeht die Frage. »Sie müssen von diesem Institut drum in Backwater sein. für fortschrittliche disziplinierte Chaotenforschung oder so ähnlich.« Als Lemuel nickt, fährt er fort: »Ich bin ein Ordnungshüter alter Schule, womit ich sagen will, daß ich im Gegensatz zu manchen von den Schlaubergern bei der Kriminalpolizei nix von vornherein ausschließ, wenn’s um die Aufklärung von rätselhaften Verbrechen geht. Sagen Sie’s nich weiter, die Staatspolizei tät mich mit Hohngelächter aus dem Kreis jagen, aber ich hab ne Zigeunerin in Schenectady, die Eingeweideschau macht, ich hab ne stockblinde Rumänin in Long Branch, die Tarotkarten legt, ich hab einen aus dem Amt verstoßenen katholischen Priester in Buffalo, der einen Silberring über einer Landkarte pendeln läßt, und die arbeiten alle an dem Fall. Also warum nich auch ein Zufallsforscher? Sagen Sie mir eins, Mr..«
    »Falk, Lemuel.«
    Der Sheriff legt den Kopf schief. »Sie sind also der Falk, von dem alle reden. Ich persönlich hab noch nich die Gelegenheit gehabt, Sie im Fernsehn zu sehn. Also sagen Sie mir, Mr. Falk, was macht ein zufälliges Ereignis zufällig.«
    »Ein Ereignis ist zufällig«, erklärt ihm Lemuel, »wenn es nicht vorherbestimmt und nicht vorhersehbar ist.«
    Die Augen des Sheriffs werden schmal. »Nehm wir mal an, Sie finden was Gesetzmäßiges an den Verbrechen, das könnte dann zu einem Motiv führen und das Motiv zu dem Täter. Hmmm. Wenn ich Ihnen Fotokopien von den Akten überlasse, warn Sie dann bereit, sie im Hinblick dadrauf durchzusehn, ob die betreffenden Verbrechen echt zufällig sind?«
    »Ich hab so was noch nie gemacht«, sagt Lemuel. »Könnte eine interessante Übung sein.«
    Später, bevor er die Lichter ausmacht, geht Norman, der Hilfssheriff, zwischen den Matratzen in den Zellen durch und verteilt Plastiktassen und Thermosflaschen mit kochendheißem Kräutertee, die die Frauen von mehreren der Professoren gebracht haben.
    »Hey, danke, Norman.«
    »Mhm.«
    Rain, die im Schneidersitz auf einer Matratze im dritten Käfig sitzt, füllt zwei Plastiktassen und reicht eine Lemuel, der auf der Matratze nebenan sitzt, mit dem Rücken am Maschendraht der Zelle lehnt und sich eine Decke bis zum Hals hochgezogen hat.
    »Also, D. J. hat mir gesagt, was die vielen Buchstaben bedeuten, die du auf meine Tafel geschrieben hast«, bemerkt sie. »Ich habe einen Pluspunkt dafür bekommen, daß ich die Frage gestellt hab.« Sie nimmt einen Schluck Kräutertee, merkt, daß er zu heiß ist, und schwenkt ihn im Mund, bevor sie ihn runterschluckt.
    »Muß euch jetzt das Licht abdrehn«, ruft der Hilfssheriff von der Tür her. »In den Klos laß ich Licht an und Türen auf, okay? Frühstück is um acht. Die Verhandlung fängt um neun an. Auch im Namen vom Sheriff und den andern Hilfssheriffs will ich noch sagen, daß wir genauso gegen die Deponie in unserm Kreis sind wie ihr. Wir hoffen, ihr nehmt uns das nich übel, daß wir euch eingebuchtet haben. Bloß Befehle ausgeführt. Na, jedenfalls, wir wolln jetz heim und wünschen euch allen eine gute Nacht und schöne Träume.«
    »Nacht, Norman.«
    »Nacht, Norman.«
    »Nacht,

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