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Der Gastprofessor

Der Gastprofessor

Titel: Der Gastprofessor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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ist das erste Jahr, in dem ich schön bin. Und ich genieße es. Und wie.«
    Lemuel sieht sie an. »Ich kann zu dir sagen, ich auch, ich genieße es auch. Und wie.«
    Eine Tür in der hinteren Saalwand geht auf. »Erheben Sie sich«, ruft der Gerichtsdiener, und eine Richterin marschiert mit klackenden Absätzen über den Holzfußboden zum Podium.
    »Die Verhandlung ist eröffnet«, verkündet der Gerichtsdiener. »Den Vorsitz führt die ehrenwerte Henrietta Parslow.«
    Die Richterin läßt sich in ihrem Leder-Drehsessel nieder, setzt sich die Brille auf und ruft mit einer knappen Handbewegung die Verteidiger und Staatsanwälte zu sich. Vier Männer in dreiteiligen Anzügen treten vor. Man konferiert im Flüsterton. Einer der Verteidiger hebt die Stimme.
    »Meine Klienten werden sich im Höchstfall des Unbefugten Betretens schuldig bekennen.«
    Die Richterin klopft einmal mit dem Hammer auf den Tisch. Die Verteidiger gehen wieder zu ihren Plätzen. Nuschelnd beginnt die Richterin, die Anklageschrift zu verlesen. ». um oder gegen. in voller Absicht. Verordnung gegen Unbefugtes Betreten.« Sie schaut auf. »Ich nehme jetzt die Schuldbekenntnisse der Angeklagten entgegen.«
    Der Gerichtsdiener verliest erneut die Liste.
    »Starbuck, D. J.«
    »Schuldig.«
    »Perkins, Word.«
    »Schuldig, hm?«
    »Holloway, Lawrence R.«
    »Schuldig.«
    In Panik wendet sich Lemuel Rain zu. »Warum bekennen die sich alle schuldig?« flüstert er.
    »Unsere Anwälte haben die dazu gebracht, die Anklage auf Unbefugtes Betreten zu beschränken, im Austausch gegen die Zusage, daß wir uns alle schuldig bekennen«, flüstert Rain zurück.
    Auf dem Podium zieht sich die Richterin die Lippen nach.
    »Nachman, Ascher ben.«
    »Schuldig.«
    »Macy, Jedidiah.«
    »Schuldig.«
    »Dearborn, Dwayne.«
    »Schuldig.«
    »Stifter, Shirley.«
    »Ebenfalls schuldig.«
    »Morgan, Rain.«
    »Yo. Schuldig.«
    »Falk, Lemuel.«
    Die Richterin hält im Schminken inne und läßt den Blick durch den Saal schweifen. Der Gerichtsdiener, die Verteidiger und der Protokollführer drehen die Köpfe, um sich den Mann genau anzusehen, der auf den Namen Falk, Lemuel hört.
    »Falk, Lemuel«, wiederholt der Gerichtsdiener.
    Rain versetzt Lemuel einen Rippenstoß. »Na, mach schon«, flüstert sie. »Du spuckst dreißig Dollar Strafe aus und verschwindest hier wie Wladimir.«
    Lemuel erhebt sich mühsam. Er räuspert sich. Streckt das Kinn vor. »In einem zivilisierten Land würde der Fahrer des Bulldozers vor Gericht stehen«, erklärt er. »Er hätte mich fast umgebracht.«
    Die Richterin faßt Lemuel mit Samthandschuhen an. »Dem Gericht ist bekannt, daß Sie ein Geständnis wegen Unbefugten Betretens unterzeichnet haben.«
    Lemuel schüttelt den Kopf. »Das ist nicht meine Unterschrift.«
    »Er hat es vor meinen Augen unterschrieben«, versichert der Gerichtsdiener.
    »Ich hab auch gesehen, wie du’s unterschrieben hast«, flüstert Rain. »Wie hast du das denn gedeichselt?«
    »Ich habe von rechts nach links geschrieben«, flüstert Lemuel zurück. »Klaf Leumel.« Es heißt immer noch Lemuel Falk, aber die Handschrift ist ganz anders.«
    Die Richterin wendet sich an den Kreisstaatsanwalt. »Ist der Angeklagte vorbestraft?«
    Der Staatsanwalt, ein kurzsichtiger Beamter mit Fliege, hält sich eine gelbe Karteikarte vor die Nase. »Bei der Aufnahme seiner Personalien, Euer Ehren, gab er zu, schon einmal festgenommen worden zu sein, erklärte jedoch, es sei nicht zu einer Verurteilung gekommen.«
    »Ich hatte Unannehmlichkeiten, wurde aber nicht angeklagt«, beharrt Lemuel.
    »Da das angeblich in der ehemaligen Sowjetunion war«, fährt der Staatsanwalt fort und wirft einen finsteren Blick in Lemuels Richtung, »sind wir zu diesem Zeitpunkt außerstande, den wahren Sachverhalt zu ermitteln.«
    Die Richterin spricht Lemuel direkt an: »Weswegen wurden Sie denn festgenommen, Mr. Falk?«
    »Das Komitet gossudarstwennoi besopasnosti kam dahinter, daß jemand mit dem Namen L. Falk eine Petition unterschrieben hatte, in der der sowjetische Imperialismus in Afghanistan kritisiert wurde.«
    »Was ist dieses Komitet soundso?«
    »Das war der amtliche Name des KGB.«
    »Und, haben Sie die besagte Petition unterschrieben?«
    »Mein Name stand darunter, aber ich konnte die Leute überzeugen, daß es nicht meine Unterschrift war. Ich hatte zwei Unterschriften, eine für meinen Personalausweis oder mein Soldbuch oder meine Anträge auf Erteilung eines Visums. Die andere Unterschrift

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