Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)
Herr Rittmoasta!« Wortlos drückte von Herzenburg ihm fünf Kreuzer in die ausgestreckte Hand. Der Mann bückte sich aus dem Zelt und ging.
»Er kann mich verstehen, nehme ich an?« Von Herzenburg ließ sich am Kopfende von Schneebergers Krankenlager auf einem Hocker nieder. »Was ist Ihm zugestoßen, Johann?«
Der Feldwebel hob den schweißnassen Schädel, zeigte auf seinen Hut, der bei seinem Sattelzeug lag und den er in der Feldschlacht über seiner Sturmhaube zu tragen pflegte. Das Mädchen holte ihn ans Krankenlager; es hatte leuchtend blaue Augen. Seine Haut war nicht weiß wie Marias Haut, sondern honigbraun und von Sommersprossen übersät.
Schneeberger gestikulierte und flüsterte, bis seine Hure ihm eine der Federn aus dem roten Hutband zog, eine schwarze Schwanenfeder. Um deren Kiel schloss der Fiebernde die Faust, drehte sich dann unter Stöhnen mit schmerzverzerrter Grimasse auf die rechte Seite und legte den Schädel auf der Faust mit der Feder ab. Recht erklären konnte von Herzenburg sich das nicht; er wusste aber, dass Schneeberger und seine Bayern so manchem Aberglauben frönten.
»Ich hab sie gefunden, die Ihr sucht. Männer aus dem Fußvolk Mortaignes waren schon über ihr …« Schneeberger berichtete stockend, jedes Wort schien ihm eine Qual. »Die wollten sie nicht rausrücken, hab sie mir mit Gewalt nehmen wollen …, weiß nicht, welcher Hundsfott mich so hinterrücks angefallen hat, hab nichts gesehen, nur ein pelziges Ungeheuer …«
»Ein pelziges Ungeheuer?« Der Rittmeister runzelte die Stirn.
»Einen Werwolf, den Leibhaftigen selbst – weiß der Henker, was ich gesehen hab …« Entkräftet verstummte er und schloss die Augen.
Maximilian von Herzenburg betrachtete ihn nachdenklich. Schließlich tätschelte er ihm die Schulter. »Braver Mann.« Er stand auf. »Ich habe Ihn übrigens zur Beförderung vorgeschlagen.« Schneeberger reagierte nicht. Das Mädchen neben seinem Lager hielt die ganze Zeit den blonden Kopf gesenkt, vermutlich um dem geilen Blick des Cornets auszuweichen. Der Rittmeister verließ das Zelt.
»Gib gut acht auf deinen Herrn«, wandte hinter ihm der Cornet sich an das Mädchen. »Ich werd stündlich nach ihm schauen.« Dann trat auch er aus dem Zelt.
»Hör zu, Mathis«, sagte von Herzenburg. »Die Blonde ist nun einmal die Hure des Feldwebels. Er hat sie in der Kleidertruhe gefunden und aus dem Haus geführt.« Seite an Seite gingen sie durch das Lager. »Du weißt, wie zornig Schneeberger werden kann. Vergiss sie also. Wenigstens solange er noch lebt.«
»Schon klar, Max. Was hat der Wundarzt dir zugeflüstert?«
»Dass er an meiner Stelle sich einen neuen Feldwebel suchen würde.« Conrad und Simon führten ihnen die Pferde zu. »Diese Schwanenfeder – was hat das zu bedeuten?«, wollte der Rittmeister wissen.
»Ein Passauer Spruch.« Von Herzenburg runzelte fragend die Brauen. »Du schreibst einen frommen Spruch auf einen Zettel«, erklärte der Cornet, »am besten mit Fledermausblut, und wenn du ganz sichergehen willst, schreibst du statt des frommen Spruches gleich, dass deine Seele dem Schwarzen Kasper gehören soll.«
Schwarzer Kasper – so nannten viele unter den Landsknechten den Teufel. »Und weiter?«
»Du nimmst den Zettel mit zur Messe. Nach drei gelesenen Messen steckst du ihn in eine Nussschale oder einen Federkiel. Die Nussschale trägst du als Amulett um den Hals, den Federkiel steckst du dir an den Hut. Wenn du in den drei Tagen danach stirbst, gehört deine Seele dem Teufel. Wenn nicht, schützt er dich künftig in allen Schlachten.«
»Törichter Aberglaube!« Kopfschüttelnd stieg von Herzenburg auf seinen Schimmel. »Trägst du etwa auch so einen Zettel mit dir herum?« Von Torgau antwortete nicht, lächelte nur. »Genützt hat’s ihm gar nichts«, sagte der Rittmeister verächtlich.
»Lebt Schneeberger noch, oder lebt er nicht mehr?« Der Cornet griff nach der Standarte und stieg ebenfalls in den Sattel. »Vielleicht war es ja der Schwarze Kasper, den er gesehen hat, bevor er die Besinnung verloren hat.«
»Unsinn, Mathis!« Sie lenkten die Pferde den Hang des Gaisbergs hinunter zu dem Weg, der in die Alte Stadt führte. Beide Trabanten folgten. »Einen wilden Hund mag er gesehen haben, oder einen Wolf. Vielleicht hat er auch geträumt.«
Schweigend ritten sie eine Zeitlang der Stadtmauer entgegen. Sie wollten dabei sein, wenn die Schlossgarnison unter van der Merven aus Heidelberg ritt. Gegen Mittag sollte das geschehen.
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