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Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziebula
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Die Bedingungen waren ausgehandelt, Tilly hatte den Kurpfälzern freien Abzug zugesagt.
    »Kein Hund reißt solche Wunden«, sagte von Torgau irgendwann. »Auch kein Wolf. Und ein Traum zweimal nicht. Und Bären sind im Neckartal lange nicht gesehen worden.«
    Abrupt riss der Rittmeister an den Zügeln, sein Schimmel stand still. »Doch!« Heiß durchzuckte es ihn. »Ich habe einen Bären gesehen in Heidelberg! Es ist fast ein Jahr her.« Auch von Torgau und die Trabanten hatten ihre Tiere angehalten. »Reit los, Mathis!« Maximilian von Herzenburg deutete zur Stadt. »Beeil dich. Nimm dir ein paar Reiter und durchsuche die Stadt nach Gauklern!«
    *
    Sie hielt die Augen geschlossen, atmete nur noch durch den Mund. Der Wagen schaukelte, sie und ihr Versteck schaukelten mit ihm hin und her. Es ging bergab, der Hufschlag der Pferde knallte inimmer kürzeren Abständen auf Stein. Der Wagen ratterte über Kopfsteinpflaster, sie und ihr Versteck wurden durchgeschüttelt. Und dann noch das wild schlagende Herz in ihrer Brust – alles war ein einziges Schaukeln, Schütteln, Klappern und Pochen.
    Sie hielt die Augen geschlossen. Das Fell war innen noch feucht und stank ganz entsetzlich. Susanna hatte sich darunter zusammengekauert und hielt sich die Nase zu. Obwohl die Gauklerfrau sie in eine Decke gewickelt hatte, bevor sie das Bärenfell über sie legte, fröstelte Susanna. Vor allem an den Füßen fror sie – die steckten unter dem feuchten Schädelfell. Sie hoffte, sie würde nicht zu zittern beginnen im entscheidenden Augenblick.
    Der Hufschlag draußen tönte jetzt wieder in größeren Abständen, und der Wagen rollte langsamer. Ihr Herzschlag aber dröhnte ihr in immer rascherer Folge durch Brust und Kopf; wie eine Pauke, auf die einer viel zu ungestüm eindrosch. Das Dröhnen setzte sich in ihren Knochen fort, reichte ihr bis in die Zähne und Haarspitzen.
    Jetzt ging es wieder bergauf. Wie es ihr in den Ohren hallte, wie es ihr den Magen zusammenpresste! Auf einmal ging das Rütteln in gemächlicheres Pochen über. Nicht ganz so laut wie zuvor über das Pflaster schlugen die Räder nun über die Fugen zwischen Holzbohlen. Hohl und dumpf klang das; der Wagen der Gaukler rollte über die Brücke.
    Susanna dachte an den Tag im vergangenen Herbst, als sie zuletzt über die Neckarbrücke gefahren war – zusammen mit Anna und ihrem Vater. Ganz woanders hatte sie in jener Stunde sein wollen, bei Hannes, und niemals auf der Brücke nach Heidelberg! Und wo waren Anna und der Vater jetzt? Bei den Toten. Es schnürte ihr das Herz zusammen, und Tränen schossen ihr in die Augen. Viel hätte nicht gefehlt, und sie wäre jetzt bei ihnen. Sie biss sich auf die Lippen.
    Und Hannes? Wo war er? Schon bei Anna und dem Vater?
    Der Wagen rollte, die Räder schlugen über die Fugen. DerObergaukler lenkte das Gespann, Stephan hieß der, ein Kroate. Der junge Gaukler, dieser David, hatte sich schon früh am Morgen bei ihr verabschiedet, vor zwei Stunden etwa; da war es noch dunkel gewesen. Er müsse über den Neckar, hatte er gesagt, mit dem Tanzbären, der ihre Peiniger zerrissen hatte. Wohin? Warum? – Susanna hatte nicht gefragt.
    Vier krabatische Reiter ritten vor dem Wagen her, zwei folgten ihm. Die Hufschläge ihrer Pferde zu hören steigerte Susannas Angst noch. Noch einmal erleben müssen, was sie erlebt hatte – sie würde sterben, ganz gewiss. Sie versuchte an den jungen Gaukler zu denken, versuchte Dankbarkeit zu empfinden. Doch sie empfand nur Angst.
    Jeden Moment mussten sie doch den Affenturm erreichen! Schon rollte der Wagen langsamer. Sie schluckte die Tränen hinunter, Ekel würgte sie. Wenn das Bärenfell nur nicht so stinken würde! Sie hörte die krabatischen Reiter lachen und rufen. Es ging ihr durch und durch. Der Wagen hielt an. Hinter ihm plauderten die Krabaten in ihrer fremden Sprache, vor ihm hörte Susanna sie in gebrochenem Deutsch mit papistischen Brückenposten palavern.
    »Schönes Wetter, ja, alles gut. Und heute schon einen Schotten verprügelt?«
    »Nein, die haben sich noch nicht aus ihrem feinen Schloss gewagt, doch lass sie nur kommen, unsere Klingen sind gewetzt. Und wohin des Weges?«
    »Ein Stück den Neckar hinauf und dann in die Berge. Vielleicht hat noch einer ein Schwein im Stall stehen, ein paar Dukaten unter den Dielen liegen oder ein schönes Weib in der Stube sitzen.« Raues Gelächter, gute Wünsche und dann freie Fahrt.
    Susanna fröstelte. Zum ersten Mal blitzte ein Funken Empörung

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