Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)
Neckarmündung her in die Nordstadt ein. Mannheim war schon zur Hälfte niedergebrannt. Die Hoffnung auf reiche Beute schmolz schnell dahin. Die meisten Männer machten verdrossene Gesichter, manche fluchten leise.
Schon dämmerte der Abend herauf, und immer noch drang Rauch aus vielen Dachstühlen und Fensteröffnungen. Der englische General Veer hatte nur die Eckhäuser an den Straßen und Gassen anzünden lassen, und auch nur die in ummittelbarer Nähe der Festungsmauer. Doch am Nachmittag war starker Ostwind aufgekommen, trug Funkenflug von Haus zu Haus, und schon in der Abenddämmerung lagen ganze Straßenzüge in Schutt und Asche.
Viele Reiter schüttelten die Fäuste in Richtung der Festungsmauer, wo englische Soldaten und Mannheimer Bürger sich zeigten. Einige Männer des Rittmeisters stießen wüste Beschimpfungen aus. Auch Mathis von Torgau, der sich wie immer dicht neben von Herzenburg hielt, verfluchte den englischen General.
Links und rechts vor den Brandruinen und in den Gassen sah von Herzenburg Landsknechte, die sich in verkohlte Türöffnungen bückten. Da und dort warfen Musketiere verrußte Truhen, angesengte und prall gefüllte Säcke, Kochgeschirr oder Kleider aus Fenstern.
Aus Dämmerung und Rauchschwaden schälten sich Umrisse von Reitern, die auf den Rittmeister zuhielten – der Leutnant mit dem Wachtmeister und vier Gemeinen. Von Herzenburg hatte sie vorausgeschickt, um die Lage zu erkunden.
»Der Engländer hat sämtliche Bürger mit in die Zitadelle genommen«, meldete der Leutnant. Von Herzenburg nickte, er hatte nichts anderes erwartet.
»Und die wertvollsten Stücke aus den Häusern gleich mit«, ergänzte der Wachtmeister. Auch das war keine Überraschung. »Der Rest ist großteils verbrannt. Allein den Häusern aus Stein konnte das Feuer nicht viel anhaben.«
»Im Zitadellengraben steht das Wasser nur zwei Schuh tief«, berichtete wieder der Leutnant. »Von den Kellern des innersten Häuserrings könnte man leicht bis an den Festungsgraben schanzen und das Wasser abgraben. Danach könnte man die Laufgräben bis an die Festungsmauer treiben.«
»Das nenne ich mal eine gute Nachricht«, sagte von Herzenburg, »die geht sofort an den Obristen!« Der Leutnant bestätigte, winkte seinen Männern und gab seinem Pferd die Sporen. Mit seiner kleinen Reiterschar ritt er aus der rauchenden Stadt, um seinen Bericht ins Lager zum Obristen von Bernstadt zu bringen.
Der Rittmeister sah sich um. »Zu wenig Beute und zu viele, mit denen man teilen muss.« Wie ein Krähenschwarm über ein totes Pferd machten zu allen Seiten Landsknechte sich über Höfe, Ställe und Brandruinen her. »Unsere Reiter sollen trotzdem ihr Glück versuchen, Mathis. Und uns dabei nicht vergessen.« Der Cornet gab den Befehl weiter, die Männer ritten in mehreren Rotten zwischen die Häuser.
Von Herzenburg, seine Trabanten und der Cornet von Torgau lenkten ihre Tiere zurück zum Nordtor, banden sie dort unter dem Turm fest und stiegen auf den Wehrgang hinauf. Oben angekommen, befestigte von Torgau die Standarte zur Stadt hin an der Brüstung, sodass die Reiter der Kompanie sie erkennen konnten.
Conrad und Simon, die Trabanten des Rittmeisters, stöberten in den Wachstuben des Torhauses in den Hinterlassenschaften der Engländer herum, die beiden Offiziere lehnten über das Geländer und blickten über Dächer, Ruinen und Rauchschwaden hinweg zur Friedrichsburg, wie die Zitadelle von Mannheim nach dem Kurfürsten hieß, unter dessen Herrschaft sie knapp fünfzehn Jahre zuvor erbaut worden war. Ihre Westseite lag am Rheinufer. Der Himmel über ihren Wehrtürmen war rot vom Sonnenuntergang.
»Sie haben wenige Vorräte, heißt es«, sagte von Torgau. »Wie lange werden sie wohl durchhalten?«
»Ich gebe der Festung eine Woche, nicht mehr. Danach nehmen wir sie uns, nach ihr noch Frankenthal, und dann gehört uns die gesamte Kurpfalz.« Sie sprachen über mögliche Winterquartiere und die Pläne ihres Generals für das nächste Jahr – gegen Christian von Halberstadt sollte es gehen, und anschließend wohl gegen den dänischen König, falls dieser Ernst machen sollte mit seiner Drohung gegen den Kaiser und die katholische Liga.Schließlich kamen sie auf ihre kursächsische Heimat zu sprechen.
Aus einem Brief seines Vaters wusste von Herzenburg von Ländereien in der Lausitz, die der Kaiser ihrem protestantischen Kurfürsten überlassen hatte, weil der die böhmische Königswürde abgelehnt und sich im Krieg gegen
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