Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)
blickte Mathis um sich. Unten auf der Straße blickten schon einige Landsknechte zu ihnen herauf. »Warum sollte ein Vater denn seine eigene Tochter …?«
»Weil sie ihm nicht mehr zu Willen sein wollte!« Maximilian griff nach dem Becher, stürzte den Wein hinunter und warf den leeren Becher über die Brüstung. Unten auf der Straße zerschellte er. »Jahrelang musste Hildegard ihm ins Schlafgemach folgen, und als sie sich eines Tages weigerte, schlug er sie, dass sie starb!«
»Das hat dir die Wahnsinnige erzählt!« Hart und kantig war von Torgaus hohlwangiges Gesicht auf einmal. »Ein Mädchen verführt seinen Vater?« Er versuchte ein spöttisches Lächeln. »Das glaub ich nicht, das muss dir die Wahnsinnige erzählt …«
Der Rittmeister schrie auf und schlug zu. Seine Faust traf den Cornet mitten im Gesicht. Dem längst Betrunkenen schleuderte es den Kopf in den Nacken und seinen dürren Körper hinterher auf die Holzbohlen. Auf der Straße standen sie jetzt alle unter dem Wehrgang und gafften herauf. »Verführt?«, flüsterte Maximilian. »Die Wahnsinnige? So redest du nie wieder von meiner Schwester und meiner Mutter.«
Von Torgau stemmte sich hoch, er blutete aus der Nase. Einmal schüttelte er sich kurz, dann sprang er auf, zog den Degen und ging auf seinen Freund und Rittmeister los.
*
Im Zelt brannten zwei große rote Kerzen auf hohen silbernen Lüstern, die wie die gewundenen Körper von geflügelten Engeln aussahen. Sie ragten rechts und links einer Schlafstatt aus zerwühlten Decken und Tüchern auf, und ihr Lichtschein riss das verstörte, fahle Gesicht einer Frau aus dem Halbdunkeln. Monica lag in den Decken, versuchte ihren Kopf mit den Armen vor den Schlägen des Feldwebels zu schützen. Flehte ihr Blick? Oder warnte er? Jedenfalls suchte er den ihres Bruders.
Als Erstes sah Hannes die Engelslüster und das sommersprossige Gesicht seiner armen Schwester. Danach den breiten, stinkenden Rücken des Feldwebels. Der kniete über Monica und fluchte. In der Rechten hielt er einen Gurt und drosch auf die vor ihm liegende Frau ein. Mit der Linken schob er ihr die Kleidersäume über die Knie, während er ihr zwischen die Beine rückte. »Mir hast du zu gehorchen, Luder! Mir und sonst keinem …!« Wieder schlug er zu.
Hannes sah den zerklüfteten, eitrigen Rücken, sah den großen Schädel, sah die gurtschwingende Faust – und zögerte nicht einen Wimpernschlag lang: Er sprang hin zu Schneeberger und stieß mit aller Kraft zu.
Weil jedoch Monica ihn an ihrem Peiniger vorbei anstarrte, drehte der Feldwebel sich halb um und die Klinge fuhr ihm unterhalb der Achsel zwischen die Rippen. Die Wucht des Treffers warf Schneeberger zu Boden, und er stürzte auf seinen wunden Rücken. Jetzt erst brüllte er vor Schmerzen auf.
Hannes dachte gar nichts mehr – der Kopf glühte ihm, in seiner Brust brannten Wut und Hass. Seinen nächsten Hieb wehrte der Feldwebel noch mit dem haarigen Arm ab, sodass die Klinge ihm Knochen und Sehnen zerschlug und sein eigenes Blut ihm ins Gesicht spritzte. Er brüllte wie ein heiserer Stier vor der Schlachtbank. Hannes führte einen wuchtigen Stoß zur Kehle des Schreienden, und die Degenspitze drang schräg von unten nach oben in Schneebergers Hals ein, so tief, dass der Stahl auf Schädelknochen traf.
Schneebergers Gebrüll verröchelte, Hannes riss die Klinge aus seinem Hals. Der Feldwebel presste sich die Hände an die Kehle, atmete gurgelnd, und bei jedem vergeblichen Atemzug sprudelte ihm hellrotes Blut zwischen den Fingern hervor.
»Weg hier!« Hannes wischte den blutigen Degen an Schneebergers Decken ab. »Jeder hat ihn doch schreien gehört. Wir müssen schnell weg!«
Monica stemmte sich hoch, raffte ein paar Sachen zusammen, schlüpfte in Schneebergers schwarzen Wollkasack und in ihre Stiefel. Hannes kniete schon vor dem Eingang, schob die Plane zur Seite und lugte hinaus. Es war dunkel.
»Noch keiner zu sehen.« Er drehte sich nach seiner Schwester um. Schneeberger hinter ihr riss den Mund auf, bäumte sich hoch und schnappte ein letztes Mal nach Luft. Ein Zittern ging durch seinen massigen Leib. Hannes packte Monica und zog sie hinter sich her aus dem Zelt. Sie rannten nach Norden in Richtung Neckar, wo Hannes seinen Rappen in einer Koppel am Rand des Lagers festgebunden hatte.
Weil hinter ihnen Rufe laut wurden, schlug Hannes einen Haken nach links zwischen zwei Hütten hindurch, und dann wieder einen nach rechts an einer Reihe kleinerer Zelte vorbei.
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