Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)
Hirschgeweih ritten.
Man nannte sie die Herzenburger Kompanie, nach ihrem Rittmeister. So viel hatte Hannes inzwischen herausgefunden. Der Rittmeister sei ein kursächsischer Grafensohn, hieß es, ein feiner Herr mit guten Manieren, und der Name seines Cornets, eines kursächsischen Freiherrn, lautete Mathis von Torgau. Der stamme aus einem Schloss namens Hartenfels, wo sein Vater der kursächsischen Verwaltung vorstehe. Beide Edelmänner, so erzählte ein Corporal voller Respekt, hätten sich im Kampf um Heidelberg durch besonderen Heldenmut hervorgetan.
Die Arkebusiere dieser Offiziere flankierten die Schanzarbeiten im Nordwesten der Festung Mannheim, irgendwo am Rhein; Hannes’ Kompanie lag südlich der Stadt. Lange bekam er keinen der Männer zu sehen.
Bis es Ende der ersten Oktoberwoche gelang, die Rheininsel Mühlau im Nordwesten von Mannheim zu erobern. Es gab Verwundete, auch in der Herzenburger Kompanie. Hannes und zwei Rotten Dragoner seiner Kompanie wurden abkommandiert, die Verwundeten ins Hauptlager zu eskortieren.
Keiner der beiden Offiziere war unter ihnen, nur ein Gefreiter und ein Corporal, beides Kursachsen. Hannes prägte sich ihre Gesichter ein. Sie brachten die Männer zu ihren Zelten, wo den einen seine Frau – vielleicht war es auch seine Hure, so genau ließ sich das nicht unterscheiden – und den anderen seine Pferdejungen zur Pflege übernahmen. Danach nutzten die Dragoner die Gelegenheit, ihre eigenen Frauen oder eine der zahlreichen Trosshuren aufzusuchen. Hannes schlich zum Zelt, vor dem er Monica gesehen hatte.
Es war ein milder Abend, seine Schwester hockte vor dem Zelteingang und stopfte einen schwarzen Wollmantel mit aufknöpfbaren Ärmeln, einen Kasack. Neben ihr, auf ein paar Decken, lag der massige Kerl, mit dem sie das Zelt teilte, der verletzte Arkebusier aus der Herzenburger Kompanie. Monica unterbrach ihre Arbeit von Zeit zu Zeit, um ihm den Weinbecher und den Bissen einer Mahlzeit zu reichen. Manchmal, wenn der massige Kerl sich anders lagern wollte, stand sie auf, kniete neben ihm nieder und half ihm, sich umzudrehen.
Hannes begriff nicht, was er da sehen musste. Es konnte doch nicht wahr sein, dass sie einen dieser Mordgesellen zum Mann genommen hatte? Doch warum sonst lebte sie im Zelt dieses Arkebusiers, der geholfen hatte, ihr Walddorf und ihre Familie auszurotten? Der Kerl hielt sie doch nicht etwa gefangen?
Es fiel Hannes weiß Gott nicht leicht, der Versuchung zu widerstehen, einfach zu Monica und dem Verletzten zu gehen und beide zur Rede zu stellen. Erst einmal jedoch wollte er allein mit ihr sprechen und aus ihrem Mund erfahren, was genau geschehen war und warum sie einem Mörder diente.
Bald wurde es jedoch ganz unmöglich für Hannes, sich bei Monica zu zeigen, denn drei andere Reiter stiegen vor dem Zelt von ihren Pferden und setzten sich zu dem Verletzten. Einer gehörte zu Hannes’ Dragonerkompanie.
In der Abenddämmerung dann, auf dem Weg zurück zu den Belagerungswällen vor Mannheim, hörte Hannes die drei Kameraden miteinander plaudern. »Ein Glückspilz, der Johann Schneeberger«, sagte einer. »Nach dem Sturm auf Heidelberg hat ein wilder Bär ihn in der Stadt angefallen, und er hat’s überlebt.«
»Von wegen ›Glückspilz‹!«, rief ein anderer. »Einen Passauer Zettel trägt er am Hut. Mit dem Teufel steht der Feldwebel im Bunde. Wer soll denn so einen umbringen?«
»Ein Passauer Zettel hilft nicht gegen wilde Tiere«, widersprach der Erste, »die Zaubersprüche machen nur hart gegen Kugeln und Klingen, nicht gegen Keulen und Klauen.«
»Das ist die Wahrheit!«, ergriff nun auch der dritte das Wort. »Leider. Und dennoch will ich den Schneeberger einen Glückspilz nennen – wegen der süßen Hure nämlich, die er sich hält.«Die anderen lachten, und Hannes fuhr es wie ein Stich durchs Herz.
In den Tagen danach zehrten ihn Trauer, Hass und Schlaflosigkeit zunehmend aus. Seine Gedanken kreisten nun mehr um die Schwester als um die verlorene Geliebte: Monica eine Trosshure? Das war doch nicht möglich! Je länger er grübelte und je gründlicher er die Sitten im Heerestross bedachte, desto klarer sah er: Dieser Feldwebel der Herzenburger Kompanie, dieser Schneeberger, hielt Monica als Sklavin! Er hatte sie als Beute aus dem Walddorf verschleppt, und nun zwang er sie, ihm zu Willen zu sein.
Hannes bereute es bitter, seine Schwester nicht schon beim ersten Mal, als er sie gesehen hatte, angesprochen und befreit zu haben. Nun wartete
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