Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)
Wurst an, die sein Gefreiter ihm gereicht hatte. Mathis musterte ihn aus schmalen Augen. »Wiedersehensfreude sieht irgendwie anders aus, möchte man meinen.« Der Freiherr hielt dem Mundschenk die Vase hin, damit der sie aus seinem großen Wasserkrug auffüllen konnte.
Maximilian wartete, bis der Mann auch ihm nachgeschenkt hatte und dann zurück in die Turmstube ging. »Von Wiedersehensfreude kann keine Rede sein«, antwortete er leise. »Erstens will der Herr Graf, dass ich unter seinem Kommando reite, und zweitens …« Er blickte in seinen vollen Becher und ließ den Satz unvollendet.
»Und zweitens hasst du ihn, habe ich recht?« Wieder blieb von Herzenburg die Antwort schuldig. Mathis hob seinen Becher. »Auf den Hass, der uns am Leben erhält.« Sie stießen an und tranken.
Der Rittmeister stellte den Becher ab und biss in die Wurst. »Sind nicht die meisten Väter Profos, Steckenknecht und Henker in einer Person?«, fragte er kauend. »Gibt es überhaupt Männer,die ihre Väter nicht hassen?« Seine Zunge war schon schwer, und die Gedanken galoppierten ihm durch den müden Schädel wie ungebändigte Pferde durch freie Wildbahn.
»Nun übertreibst du aber, Max.« Von Torgau griff sich eine Wurst und biss hinein. Wie immer, wenn er zu viel Wein getrunken hatte, glänzte die Spitze seiner Raubvogelnase rötlich. »Ich zum Beispiel hasse meinen Vater nicht im Geringsten.« Er zuckte mit den Schultern. »Der alte von Torgau ist mir gleichgültig. Und ich ihm auch. Anders als dein Herr Graf hat er mir noch keinen einzigen Brief geschrieben, seit ich unter Tilly für den Großherzog von Bayern streite. Dabei kommandiert er auf Schloss Hartenfels eine halbe Kompanie schreibkundiger Sekretäre. Sein Vetter dagegen, dein Vater, schreibt dir alle Vierteljahre. Du könntest also ein wenig dankbarer sein, will mir scheinen.«
»Dankbar? Dem Herrn Grafen? Ich?« Maximilian stieß ein heiseres Lachen aus. Es klang bitter. »Du weißt ja nicht, was du redest, Mathis!« Er stürzte einen halben Becher Wein auf einmal herunter, ganz flau wurde ihm im Kopf; und plötzlich stand sie ihm wieder vor Augen, die Hildegard, schön wie ein Traum, fahl wie ein Gespenst. »Weißt ja gar nichts, du! Kennst den Herrn Grafen ja nicht!« Seine eigene Stimme kam ihm fremd vor, seine plötzliche Heftigkeit auch.
»Schon möglich, schon möglich.« Von Torgau beäugte den anderen aus großen, starren Augen. »Keiner kennt ihn wie du, ist doch klar, Max.« Sie leerten ihre Becher, Mathis schenkte rasch nach. »Dennoch bewundere ich deinen Vater«, fuhr er fort. »Ist er nicht schon jenseits der fünfzig? Und immer noch dürstet ihn nach Kampf und Mannesehre. Und wie er all die Schicksalsschläge weggesteckt hat! Erst stirbt ihm die Tochter weg, und dann springt ihm noch die Frau im Wahnsinn vom Burgturm.« Ganz ergriffen schüttelte er den vom Wein schweren Kopf. »Wie Schwerthiebe gegen eine Stahlrüstung hat er all das hingenommen. Doch, doch – ich bewundere ihn.« Er hob den Becher. »Aufden ritterlichen Grafen von Herzenburg!« Weil der Rittmeister diesmal nicht mit ihm anstoßen wollte, trank er allein.
»Das waren auch Schicksalsschläge für mich, Mathis, vergiss das nicht.« Kerzengerade saß Maximilian auf einmal vor der Mauer, und sehr leise klang seine Stimme jetzt. Der andere schwieg verlegen. Über seinen Becher hinweg beugte der Rittmeister sich nahe zu seinem Cornet hinüber. »Und wie kommst du darauf, dass meine Mutter wahnsinnig gewesen wäre?«
»Nun …« Von Torgaus Adamsapfel tanzte auf und ab. »So ging die Rede zu Hause in Schloss Hartenfels. Ist es denn nicht wahr?«
»Ha!« Maximilian griff zum Becher, nahm einen großen Zug und knallte ihn wieder neben sich auf die Holzbohlen des Wehrganges. Dann packte er Mathis mit beiden Fäusten an den Knopfleisten seines Kollers und riss ihn zu sich. »Wahnsinnig vor Schmerz, vielleicht!«, zischte er. »Und wer wohl hat ihr den Schmerz zugefügt?«
»Der Tod, nehme ich doch an.« Mathis fasste die Handgelenke seines Rittmeisters und machte sich von ihm los. »Der Tod deiner Schwester.« Der Adamsapfel tanzte ihm unter der gelblichen Haut.
»Und wer hat die Hildegard getötet?«, flüsterte Maximilian von Herzenburg. »Was glaubst du, Mathis – wer?«
»Was redest du denn da, Max?« Von Torgaus Glubschaugen zuckten hin und her. »Was willst du denn damit sagen?«
»Er hat sie getötet, der ritterliche Graf von Herzenburg …!«
»Hör doch auf, Max!« Unruhig
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