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Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziebula
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er jede Stunde auf eine Gelegenheit zur Fahnenflucht. Erschöpfung drohte ihn zu überwältigen. Er konnte sich kaum noch im Sattel halten, wenn es galt, angreifende Engländer zurück in die Stadt zu treiben. Muskete und Degen schienen ihm bald doppelt so schwer zu wiegen wie noch zu Beginn der Schanzarbeiten. Keinen Schuss brachte er mehr ins Ziel, und wäre es zum Kampf Mann gegen Mann gekommen, hätte er mindestens seine Gesundheit, wenn nicht sein Leben eingebüßt. Doch als Tilly Mitte Oktober den Sturm auf die Stadt befahl, gab es niemanden mehr darin, der kämpfen wollte: Der englische General Vere ließ Mannheims Häuser anzünden und zog sich mit Garnison und Bürgern ins Innerste der Stadt zurück, in die Zitadelle.
    Vergeblich suchten die Landsknechte nach Beute in den niedergebrannten Häusern. Hannes’ Dragonerleutnant wurde bei der mageren Plünderung in den Ruinen von einem herabstürzenden Balken getroffen und brach sich das Bein. Mit fünf anderen Dragonern musste Hannes ihn zuerst zum Feldscher ins Lager des Fußvolkes und danach, mit geschientem und verbundenem Bein, ins Hauptlager begleiten. Dort übergaben sie ihn der Pflege seiner Frau.
    Und dann ging es wie schon beim letzten Mal: Die anderenfünf besuchten ihre eigenen Zelte. Diesmal hatten sie die Erlaubnis, bei ihren Frauen und Huren zu schlafen. Hannes irrte durch das Gewimmel von Zelten, Unterständen, Wagen und Pferdekoppeln, um Schneebergers Zelt zu suchen. Um keinen Preis wollte er zu seiner Kompanie zurückkehren, ohne seine Schwester befreit zu haben.
    Es dämmerte schon, als er Monicas Blondschopf entdeckte. Sie kniete vor dem Zelteingang und kochte weiße Wäsche über einem Feuer; Verbandszeug, wie es aussah. Den Feldwebel sah er nirgends. Vermutlich lag er schon betrunken im Zelt und schlief. Hannes zögerte nicht länger, er ging zu seiner Schwester. Drei Schritte vor dem Feuer und dem dampfenden Wäschetopf blieb er stehen.
    Schweigend betrachtete er sie. Monica sah um Jahre gealtert aus, bleich und abgehärmt. Ihre Lippen waren aufgesprungen, ihre Wangen- und Kieferknochen zeichneten sich kantig unter der trockenen Haut ab, ihr schönes Blondhaar war spröde und ihre Nägel brüchig. Als sie ihn endlich bemerkte und den Blick hob, starrte sie ihn zunächst aus leeren Augen an. Dann sperrte die Verblüffung ihr den Mund auf, und schließlich huschte ein Leuchten durch ihren Blick, das Hannes an jene Monica erinnerte, die er kannte.
    »Du …?«, flüsterte sie.
    Er streckte die Arme aus, wollte zu ihr gehen, sie hochziehen und umarmen.
    »Mit wem schwatzt du da?«, tönte eine raue Stimme aus dem Zelt. Monica schluckte, biss sich auf die Unterlippe und suchte nach Worten – schon ächzte es aus dem Inneren des Zeltes, und dann riss der Feldwebel die Plane zur Seite und streckte seinen kantigen fetthaarigen Schädel durch den Eingang.
    Wässrige rötliche Augen, die in einem breiten, großporigen Gesicht saßen, musterten Hannes. »Potzhunderttausend Sackvoll Enten«, grummelte Schneeberger böse, »was glotzt du meinem Hürchen auf die Titten?« Er kroch ein Stück heraus, packte Monica am Arm und zog sie zu sich. Dabei verzog er das Gesicht wie unter großen Schmerzen. »Komm schon.« Er stank nach Eiter und Wein.
    An sich vorbei schob er Monica ins Zelt. Sein Oberkörper war nackt, die obere Hälfte seines Rückens glich einer riesigen, von Eiterpusteln übersäten Kalbsleber, die zu lang in der Mittagssonne gelegen hatte. Noch einmal drehte er sich um und zischte Hannes an: »Gib Fersengeld, Hundsfott, oder ich versenk deinen Schädel in der Kochwäsche!« Sprach’s, kroch ins Zelt und schlug die Plane vor den Eingang.
    Hannes stand wie von einem Hagel Fausthieben getroffen. Ein paar Wimpernschläge lang schienen Kopf und Brust sich in eine nächtliche Einöde zu verwandeln: Leere und Düsternis herrschten darin.
    Im Zelt wimmerte Monica, es klatschte wie von Schlägen. Schneeberger schimpfte mit ihr, und wie es sich anhörte, schlug er ihr ins Gesicht. »Du schwatzt mit mir und mit sonst keinem«, hörte Hannes ihn sagen, und die Ödnis in Kopf und Brust fing Feuer. »Miststück! Werd’ dich schon lehren, deinem Feldwebel zu gehorchen …« Und wieder klatschte es.
    Heiß schoss es Hannes aus Bauch und Brust in den Kopf. Jeden kühlen Gedanken verbrannte es ihm. Er sah sich nicht einmal um, als er die Seitenwehr aus der Scheide riss und ins Zelt stürzte.
    *
    Maximilian von Herzenburgs Kompanie rückte von der

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