Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)
gebunden, wie sie es auf dem Markt von Ansbach bei einer Edelfrau gesehen hatte. Ein kleiner schwarzer Hut mit blauer Feder bedeckte ihren Scheitel.
Manchmal tastete David nach ihrer Hand und versuchte, sie festzuhalten. Nur selten ließ Susanna es zu und wenn, dann höchstens einen Atemzug lang. David versuchte es trotzdem immer wieder, auch jetzt. Sie drückte seine Hand und entzog sich ihm erneut. Der Gaukler hielt das für jungfräuliches Gehabe, es konnte seine Freude nicht wirklich trüben. Mit Susanna hier zu sein, sie an seiner Seite zu wissen, das machte ihn einfach nur froh.Die Leute, die sie miteinander sahen, konnten doch gar nicht anders, als sie für Mann und Frau zu halten.
Vorgestern hatten sie ihre Bühne auf dem Hauptmarkt der großen Reichsstadt aufgebaut. Heute, gleich nachdem Stephan am Mittag den letzten Nürnberger Zahn gebrochen hatte, war David mit Susanna hierher zur alten Klosteranlage aufgebrochen.
»Küss mich endlich, mein strammer Honigkuchen«, schmachtete die reiche Grazie unten auf der Bühne. Der Pickelhering blickte zu den Zuschauern hinauf, klapperte mit den Zähnen und guckte, als ginge es gleich zum Galgen. Die Leute wieherten vor Vergnügen.
In Wahrheit näherte der scheinbar verlegene Pickelhering sich längst dem Ziel eines für ihn recht einträglichen Planes – er sollte die Untreue der reichen Kaufmannsgattin unter Beweis stellen; dafür nämlich bezahlte ihn der Gatte der Verführerin. Doch klug, wie diese war, durchschaute sie die Absicht der Männer, und lüstern, wie sie war, hatte sie sich in den Kopf gesetzt, zuerst die Liebesfreuden und danach das verblüffte Gesicht ihres Gatten zu genießen, wenn der erneut keinen Liebhaber bei ihr finden würde. Mit zwei anderen Männern war ihr das in den vergangenen Tagen bereits gelungen. Und auch jetzt wieder hatte die listige Frau vorgesorgt.
Unten in der Bühnenarena zog sie den jungen Lockvogel nun an ihre Lippen und versuchte, ihn zu küssen. Die Zuschauer lachten, denn der Bursche stellte sich an, als wüsste er nichts von Frauen und hätte vom Küssen noch nie gehört. Und während die Verführerin endlich ihren Mund auf seinen drückte und den Studenten dabei mit der Rechten festhielt, öffnete sie mit der Linken den Deckel einer Kleidertruhe. In die wollte sie ihren Liebhaber zwingen, wenn ihr Gatte ein drittes Mal versuchen sollte, sie zu überraschen. Ihre Diener, so der Plan, würden die Truhe hinaustragen, während ihr Gatte umsonst nach einem Beweis für ihre Untreue suchte.
Davids Blick traf sich unverhofft mit dem einer blonden Frau, die unter wenigen anderen Zuschauern hoch oben im Erker des rechtwinklig angrenzenden Fachwerkhauses saß. Er stutzte. Täuschte er sich oder gaffte die Fremde zu ihm herüber? Wegen ihres weißen Kleides, ihrer Perlenkette und der eleganten Frisur hielt er sie sofort für eine Edelfrau. Warum um alles in der Welt blickte sie zu ihm, statt hinunter auf die Bühne? Und warum kam sie ihm so bekannt vor?
Weil die Zuschauer auf einmal seufzten und erschrockene Rufe ausstießen, richtete David seine Aufmerksamkeit wieder auf die »Ehebrecherin«. Den Jüngling noch immer mit Küssen betörend und ihn fest umarmend, zog die Kaufmannsfrau ihn Schritt für Schritt zu ihrem Bett. Der studentische Pickelhering schmolz sichtbar dahin, die Aussicht auf sein erstes erotisches Abenteuer schien ihn seine ursprüngliche Absicht nun doch vergessen zu lassen. Vom Rande der Bühne aber löste sich eine Männergestalt und schlich zur Schlafkammertür, hinter der seine Gattin mit dem Studenten kurz vor dem Ziel stand: ihrem Bett. Die Nürnberger hielten den Atem an.
»Ihr Mann kommt nach Hause«, flüsterte Susanna, fasste Davids Arm und drängte sich an ihn. »Jetzt wird er die Sünderin ertappen.« Ein Scherzbold auf dem Vordach nicht weit unter ihnen rief der Frau eine Warnung zu, verstummte aber gleich wieder – andere Zuschauer mahnten ihn mit heftigen Gesten und strengen Mienen zur Ruhe.
David spähte hinüber zum Erker – die blonde Edelfrau hatte sich erhoben und trat an die Balustrade. Ihre Bewegungen hatten etwas Geziertes, und im selben Augenblick, als sie sich über das Geländer beugte, erinnerte er sich: Diese Frau hatte ihn einmal aufgefordert, ihr aus dem Weg zu gehen.
An der Treppe zur Hofkanzlei war das geschehen, vor beinahe drei Jahren. Spöttisch, ja verächtlich hatte sie ihn damals behandelt.
Wie gebannt blickte sie jetzt auf die Bühne hinab, wo das ungleiche Paar
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