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Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziebula
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aufs Bett sank und der heimgekehrte Gatte begann, an der Schlafkammertür zu lauschen. Die schöne Kaufmannsgattin stieß einen wollüstigen Seufzer aus, in den Nürnberger Gesichtern wuchsen die Augen, und die Mienen schwankten zwischen Empörung und Schaulust.
    Bilder der Erinnerung zogen David durch den Sinn. Hatte er diese blonde Edelfrau nicht ein zweites Mal getroffen? Oh, doch! An jenem Sonntag vor anderthalb Jahren, als nach entsetzlichen Tagen und Nächten die Glocken der Heilig-Geist-Kirche läuteten und vor dem General Tilly und seinen Obersten zum ersten Mal seit Generationen wieder eine römische Messe in Heidelberg gelesen wurde.
    Sie war unter den Kirchgängern gewesen, diese blonde Frau dort oben am Geländer des Erkers. David erinnerte sich genau: Im Menschengetümmel auf dem Marktplatz von Heidelberg stieg sie an jenem Sonntag aus einer eleganten Kutsche und blickte über die Menge zu einem Bären, einem Leiterwagen und einem torkelnden Mann, den sie für einen Soldaten halten musste. Zu ihm.
    Ob auch sie ihn wiedererkannt hatte? Und was tat sie hier?
    Unten in der Bühnenarena nahm das Spektakel seinen dramatischen Lauf. Der vorzeitig heimgekehrte Kaufmann brüllte seinen Schmerz und seine Wut hinaus und drohte, falls seine Gattin nicht gestehe, das Haus anzuzünden, um ihren Liebhaber aus seinem Versteck zu treiben. Die Treulose zwang den Studenten in die Kleidertruhe zu steigen, schloss den Deckel und ließ diese von Dienern nach draußen tragen. Doch der Student hielt es mit seinem Auftraggeber, stieß den Deckel auf und zeigte sich dem Gehörnten. Der verfiel in einen derartigen Furor, dass er brüllend zu Boden stürzte und wahnsinnig wurde. Daraufhin plagte seine Gattin das schlechte Gewissen – sie stimmte ein nach Davids Geschmack fiel zu langes Schuldbekenntnis an und entschloss sich,ihrem Leben ein Ende zu machen. Dabei stellte sie sich so ungeschickt mit dem Strick an, dass eine Rotte Teufel die Bühne stürmte und sie kurzerhand damit erdrosselten. Danach packten sie die Ehebrecherin und schafften sie dorthin, wo sie nach Meinung des fürstlichen Dichters und aller rechtschaffenen Christenmenschen hingehörte: in die Hölle.
    Die Zuschauer begleiteten das schlimme Schicksal der Verführerin mit Applaus und bewiesen damit allen Anwesenden und sich selbst, dass sie rechtschaffene Christenmenschen waren. Auch die blonde Edelfrau hinter der Erkerbrüstung klatschte, und ihr hübsches Gesicht sah zufrieden aus.
    Zum Schluss trat der Pickelhering noch einmal auf. »Brav, ihr Nürnberger!«, rief er. »Brav, dass ihr mich der Ehebrecherin nicht verraten habt! Und wie ihr sie mit den Teufeln in die Hölle applaudiert habt …« Er seufzte tief und guckte und gestikulierte wie einer, der vor Bewunderung in die Knie sinken möchte. »… was seid ihr doch tugendhafte und fromme Leute!« Dann, schon im Abtreten und halb zu sich selbst, fügte er noch hinzu: »Jammerschade nur, dass der Herr Kaufmann nicht ein klein wenig später nach Hause gekommen ist.«
    Gelächter und Beifall brandeten auf, Greenley verneigte sich und winkte seine Mitspieler herbei; David zählte insgesamt acht Komödianten. Mit vielen Verbeugungen – erst gemeinsam, dann einzeln – nahmen sie die Huldigung und Bewunderung der Zuschauer entgegen.
    Die Nürnberger geizten wahrhaftig nicht mit Beifall, viele jubelten laut, sodass die Komödianten ein drittes, ja viertes Mal antreten mussten, um sich zu verbeugen. Wie Gänsehaut perlte es David über Nacken und Schultern. Sicher – auch ihm war mit Stephans Gauklern schon mancher Applaus gespendet worden, und nicht zu knapp, wenn er die Leute ordentlich zum Lachen gebracht hatte. Doch das hier übertraf alles, was er kannte. Einen Atemzug lang stellte er sich vor, er selbst würde dort unten stehen,sich verbeugen und all den Beifall entgegennehmen. Der Gedanke erregte ihn.
    »Sie sollten sich allmählich mäßigen«, sagte Susanna. Sie klatschte schon lange nicht mehr. »Immerhin hat einer seine Frau verloren, und eine arme Seele ist zu Hölle gefahren.« David lachte ihr ins Gesicht und wunderte sich, weil sie gar nicht zurücklachte. Sie schien ganz ernst zu meinen, was sie da sagte.
    Der Applaus legte sich dann doch nach und nach. Bald strömten die Zuschauer von den Balkonen zu den Treppen und von den Ausgängen in den Hof hinunter zum Hauptportal. An der Bühnenarena blieb David stehen, unschlüssig spähte er zu dem Wagen mit dem Maler hinüber und dann zur alten

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