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Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziebula
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Stadt hinein. Dort, rund um Römerberg und Dom, stellten Kaufleute aus allen Städten des Heiligen Römischen Reiches ihre Waren aus. Ja, sogar von den äußersten Grenzen des europäischen Kontinents waren sie hierher gereist, um Handel zu treiben: aus Stockholm,aus dem andalusischen Malaga, aus Sankt Petersburg, Belgrad und Palermo.
    In der Fahrgasse entdeckte Hannes das Schild, das ihm der Akrobat angekündigt hatte: »Zur Sanduhr«. Das Gebäude lag hinter einem Gasthaus – und war leer. Im Gasthaus fragte Hannes nach Greenley.
    »Da kommst du zu spät.« Die Wirtin, eine gut genährte Frau mittleren Alters, musterte ihn von Kopf bis Fuß. Offenbar fiel die Taxierung günstig aus für Hannes, denn sie antwortete. »Greenley und seine Compagnie sind gestern weitergereist. Leider. Zahlen treu und bringen gute Kundschaft in die Schankstuben.«
    »Wohin?«
    »Meine Güte, stellst du Fragen!« Die Wirtin verdrehte die Augen und breitete wie hilflos die Arme aus. »Wo ihnen jemand was zahlt für ihr Spektakel. Mainz, Paris, Heidelberg, Straßburg – was weiß ich.«
    »Er hat gar nichts über sein nächstes Ziel verraten?« Die Enttäuschung brannte Hannes in der Brust.
    »Mir nicht. Aber vielleicht meiner Schwiegermutter.« Die Wirtin drehte sich um und winkte. »Mit ihr hat der Alte Komödiant mal wieder mehr geschwatzt als mit mir. Komm mit.«
    Vor Hannes her schaukelte sie zu einem düsteren Hinterzimmer. Dort saß in einem Lehnstuhl neben dem Fenster eine alte Frau, die strickte. Eine rote Katze lag zu ihren Füßen. Zwischen zwei Tischen spielten zwei kleine Kinder mit Steinen, altem Schmuck und jungen Kätzchen.
    »Hier ist einer, der sucht den Alten Komödianten, Mutter, den Greenley!«, rief die Wirtin in den Raum hinein und flüsterte dann Hannes zu: »Sie bildet sich ein, in die Zukunft sehen zu können. Hat sie nicht mehr alle beieinander.« Sie fuhr sich mit wedelnder Geste über die Stirn. »Kann sein, sie versucht’s auch bei dir – beachte es einfach nicht.« Sprach’s, rauschte davon und ließ Hannes mit der Greisin allein.
    Die ließ ihr Strickzeug sinken und beäugte ihn mit zur Schulter geneigtem Kopf. Schließlich winkte sie ihn zu sich. Hannes gehorchte nicht gleich. Bilder der Erinnerung überfielen ihn jäh – in ähnlicher Weise hatte zu Hause im Walddorf auch seine eigene Großmutter am Fenster gesessen und gestrickt: in einem Lehnstuhl und mit einer Katze zu Füßen. Das Herz wurde ihm schwer, und Tränen stiegen ihm in die Augen.
    »Wer bist du? Wo kommst du her?« Die Alte deutete auf einen Hocker unweit ihres Lehnstuhls. »Setzt dich schon! Was willst du vom Alten Komödianten?« Hannes ging zu ihr, nahm Platz, wischte sich verstohlen die Augen aus. Die Kinder betrachteten ihn neugierig. »Du suchst gar nicht den Greenley.« Die Alte lächelte wie eine, die plötzlich ein Geheimnis durchschaut. »Du suchst einen anderen.«
    Hannes konnte nicht gleich antworten. Eines der Kinder krabbelte zu ihm, betastete seine Sporen. Die Greisin nahm seine Hand und schaute ihm in die Augen. Am Kinn spross ihr weißer Bartflaum, ihre Haut sah aus wie brüchiges Pergament. Ihr wacher Blick schien bis hinter seine Stirn zu reichen. »Es ist eine Frau, die du suchst.«
    Hannes nickte. »Ja …« Endlich löste sich ihm die Zunge. »Der Greenley hat sie vielleicht getroffen. Wo finde ich ihn?«
    Die Greisin beugte sich über seine Hand. Ihre Lippen bewegten sich stumm. Mit einer Stricknadel fuhr sie den Linien in seinem Handteller nach. Hannes wurde heiß und kalt, doch er konnte seine Hand nicht zurückziehen. Das Kind zu seinen Füßen begann zu quäken, weil es an seinen Sporen geleckt und sich wehgetan hatte. »Blut«, flüsterte die Greisin. »Blut und Herzeleid und wieder Blut.« Sie blinzelte zu ihm herauf. »Hüte dich, Pfälzer. Achte auf deine Wege!«
    Hannes entzog ihr seine Hand. »Wo finde ich den Engländer?«
    »In Nürnberg. Doch achte auf deine Wege, Pfälzer, und hüte dich!«

D RITTES B UCH
    Von der Liebe und vom Tod
    ___
    M AI 1624 BIS S EPTEMBER 1628

1
    E in ungleiches Paar begegnete sich auf der Bühne – eine elegante Frau und ein armer Student. Die Zuschauer wussten, dass vor ihm schon zwei andere Männer die Begehrlichkeit der Frau erregt hatten und wie rasch diese ans Ziel zu gelangen pflegte; der Student wusste es nicht. Die Zuschauer wussten, dass der Gatte der eleganten Frau den Studenten auf sie angesetzt hatte; die Frau wusste es nicht.
    Der junge Bursche stellte sich

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