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Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziebula
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hier im Heilsbrunner Hof aufführen. So lange hast du Zeit, dich vorzubereiten. Denn dann werden wir das Stück wieder mit dem Pickelhering als Diener spielen, mit mir.« Er klopfte ihm auf den Rücken. »Und du, David Unterkofler, du wirst den verführten Studenten geben.«

2
    D ie Stimme der Landgräfin hallte von der Stadtmauer wider über den ganzen Platz vor dem Tiergärtnertor. Es war längst dunkel. Susanna lag wach im kleinen Wagen, den sie in Neuhof an der Zenn gekauft hatten, und wollte nichts hören vom Streit und verstand doch jedes Wort. Neben ihr schnurrte die Katze.
    Schon den sechsten Abend hintereinander zankten sie sich. Weil David sich den englischen Komödianten anschließen wollte.
    Wieder riss jemand in einem der Häuser rund um den Platz sein Fenster auf, wieder schrie jemand »Ruhe!« und drohte, sich beim Magistrat zu beklagen oder gleich den Nachtwächter zu holen. Eine Weile verstummte das Geschrei, die Landgräfin zischte nur noch, und die Zwergin flüsterte. David sprach sowieso leise. Doch nicht lange, und es wurde wieder lauter.
    Marianne warf David jedes deutsche und kroatische Schimpfwort an den Kopf, das sie kannte. Einige Male flogen auch schon handfestere Dinge: ein Becher, ein Holzscheit oder ein Pferdeapfel. David ließ das alles über sich ergehen, blieb so ruhig, dass es Susanna beinahe mit der Angst zu tun bekam. Mit immer neuen Worten erklärte er immer wieder dasselbe: Wir hatten gute Jahre miteinander, ich bin euch sehr dankbar für alles, was ihr für mich getan habt, doch ich gehöre nicht euch, sondern mir selbst, und nun ist es Zeit für mich, meinen eigenen Weg zu gehen.
    Bis vorgestern hatte Stephan noch beschwörend auf David eingeredet, gestern hatte er nur noch laut geweint, und heute Abend lauschte Susanna ganz vergeblich auf seine Stimme. Dafür hörte sie den Wein rinnen, wenn er sich nachschenkte. Und das geschah nicht selten.
    Rübelrap hatte sofort erkannt, dass Davids Entschluss nichtmehr zu ändern war. Er schlief seitdem bei den Tieren, sprach leise mit ihnen, streichelte und fütterte sie und tat auch sonst alles, um sie zu beruhigen. Gestern, während der Vorstellung, hatte der Affe den brennenden Reif an sich gerissen und in die Zuschauer geworfen; und Bela hatte David fast erdrückt, als der den närrischen Bärenjäger spielen wollte. Sie hatten den Spaß abbrechen müssen.
    Nur Lauretta stand der Landgräfin bei und versuchte mit ihr gemeinsam, David doch noch zum Bleiben zu bewegen; Marianne mit Vorwürfen, Drohungen und Wurfgeschossen, die Zwergin mit Jammern, Flehen und vielen heißen Tränen.
    David wich keinen Fingerbreit von seiner Entscheidung.
    Bis gestern hatten sie außerhalb der Stadtmauer am Schlossberg gelagert. Am Morgen kursierten beunruhigende Nachrichten von berittenen bayrischen Waffenknechten, die im Nürnberger Umland einzelne Weiler verwüsteten. Der bayrische Großherzog Maximilian betrieb die Gegenreformation im Fränkischen mit Feuer und Schwert und trug sie immer näher an die Mauern der freien Reichsstadt heran, wo man evangelisch glaubte. Das hielt er für eine angemessene Weise, sich bei Gott und Kaiser für den Kurfürstentitel zu bedanken. Den Nürnbergern war der Schrecken in die Knochen gefahren, und der Magistrat hatte allen Gauklern und Spielleuten gestattet, ihre Nachtlager vorübergehend innerhalb der Mauern aufzuschlagen.
    Bis gestern hatte sich keiner am lauten Streit der Gaukler gestört, denn im Hang des Schlossberges wohnten nur Mäuse, Füchse und Kaninchen. Jetzt aber hörte Susanna schon wieder ein Fenster knarren und eine Männerstimme Ruhe einfordern. »Wahrhaft gotteslästerliche Flüche stößt Sie hier aus!«, beklagte er sich bei Marianne, und Susanna musste ihm im Stillen recht geben. »Und meine Kindlein müssen sie alle mit anhören! Das wird morgen dem Magistrat gemeldet, verlasse Sie sich darauf!«
    Marianne verlegte sich vorübergehend wieder auf Zischen und Fauchen, und die Zwergin jammerte und weinte leiser. Davidsprach kaum noch. An Schlaf war gar nicht zu denken. Der Streit unter den Gauklern wühlte Susanna auf – der Streit und Davids Entscheidung, mit den englischen Komödianten gehen zu wollen.
    Seit zwanzig Monaten zog sie nun mit den Schaustellern von Stadt zu Stadt, von Marktfleck zu Marktfleck. Im vergangenen Winter, um die Weihnachtszeit herum, hatte sie begonnen, sich heimisch bei ihnen zu fühlen. Die Tiere waren ihr ans Herz gewachsen; der Bauchredner brachte sie zum Lachen;

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