Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)
die von der Frankfurter Messe heimkehrten, dazu einige Waffenknechte des Nürnberger Magistrats, zwei Ratsbotenmit Nachrichten aus Straßburg und Hannover, fahrendes Volk aus dem Süden und einzelne Reisende, die man – ähnlich wie Hannes – nicht recht einordnen konnte. Die meisten reisten mit Wagen oder zu Pferd. Wer irgend konnte, vermied es, allein über Land zu fahren in diesen kriegerischen Zeiten.
Schon auf dem Weg hinauf zum Hauptmarkt verabschiedeten sich die Ersten; auf dem Markt selbst dann zerstreute die Reisegruppe sich endgültig.
Die Bauern und Händler dort bauten ihre Stände bereits ab. Hannes fragte nach englischen Komödianten und nach Gauklern, die Zähne brachen und Bären tanzen ließen. Die Engländer spielten im Heilsbrunner Hof, erklärte ein junger Bauer, und zwar den letzten Tag heute. Und der kroatische Zahnbrecher mit seinen Gauklern und seinem Tanzbären hätte seine Wagenbühne erst vor einer Stunde abgebaut. Die Gaukler seien hinauf zum Tiergärtnertorplatz gefahren, erfuhr Hannes. Dort, unterhalb der Kaiserburg, würden sie derzeit lagern.
Hannes bedankte sich und lenkte seinen Rappen zum besagten Tor hinauf. Auf dem Platz davor fand er tatsächlich drei Wagen mit Pferdegespannen am Brunnen stehen; abfahrbereit, wie es aussah. Nicht wenig Volk säumte die Wagen, darunter etliche Männer mit Musketen, Hellebarden und Spießen – Angehörige der Bürgerwacht. Dem Palaver der Umstehenden entnahm Hannes, dass die Gaukler der Stadt verwiesen wurden; wegen nächtlicher Ruhestörung, wie einer der Musketiere ihm verriet.
Die Gaukler banden einen Bären an den mittleren Wagen, zäumten die letzten Pferde auf und verstauten die letzten Deckenbündel auf den Ladeflächen. Ein Mann von großer und massiger Gestalt, der wohl zu ihnen gehörte, füllte am Brunnen Feldflaschen und ein Fässchen mit Wasser auf.
Eine schimpfende und heftig gestikulierende Frau stieg auf den Kutschbock des vorderen Wagens. Hannes lenkte seinen Rappen zu ihr. Sie war groß und füllig und in bunte Kleider und Unterkleider von einer gewissen Eleganz gehüllt; auch ihr Schmuck sah nicht eben billig aus. Ihr Gesicht wirkte hart und zornig. Hannes sprach sie dennoch an.
»Ich suche einen jungen Gaukler namens David und …«
Eine junge Frau, die Susanna Almut heißt , wollte er noch sagen, doch die herrische Dame auf dem Kutschbock fiel ihm gleich ins Wort. »Ich kenne keinen jungen Gaukler!«, zischte sie. »Schon gar keinen, der David heißt! Den habe ich nie gekannt!« Sie wedelte mit den Zügeln, und der Wagen rollte an.
Den zweiten, kleineren Wagen steuerte der große Kerl, der am Brunnen Wasser geholt hatte. Hannes sprach ihn an. »David und Susanna?« Der Mann deutete hinter sich. »Das hier ist ihr Wagen, ihr Nachtlager sozusagen. Doch sie sind nicht mehr hier.«
Er sprach wie die Leute aus dem Gebirgsland südlich des Rheins, doch das fiel Hannes kaum auf, denn die Auskunft des Goliaths erschreckte ihn. »Sie haben in diesem Wagen geschlafen? Zusammen?«
»Oder darunter, je nach Jahreszeit und Wetter.« Eine zwergwüchsige Frau tauchte hinter dem Kutschbock unter der Plane auf. Sie hatte große, verweinte Augen. Der Goliath trieb sein Gespann an. »Und jetzt findest du sie im Heilsbrunner Hof bei den Engländern.« Und schon rollte der Wagen dem Tor entgegen. Dort standen, umringt von Waffenknechten, zwei Herren in dunklen, pelzverbrämten Mänteln und mühten sich um ernste und würdige Mienen. Mitglieder des Nürnberger Magistrats offensichtlich.
Wie vor den Kopf gestoßen saß Hannes im Sattel und starrte hinter dem kleinen Wagentross her, bis das Tor sich hinter ihm schloss.
Im gleichen Wagen hatten sie also gewohnt …
Hannes stieg von seinem Rappen, führte ihn zum Brunnen und ließ ihn saufen.
Sie hatten also im selben Wagen geschlafen. Susanna und dieser Gaukler. Sie hatten also das Nachtlager geteilt.
Er trank selbst, ließ sich an der Brunnenfassung zu Boden sinken und lehnte dagegen. Über die Dachfirste hinweg blickte er in den wolkenlosen Himmel. Susanna hatte einen Mann genommen. Wie anders sollte er die Auskunft des Gauklers deuten? Hannes schloss die Augen, schwer wie Stein fühlten seine Glieder sich plötzlich an. Tief sog er die milde Luft in die Lungen. Was nun? Wohin jetzt?
Gedränge entstand auf einmal am Brunnen. Viele Frauen auf einmal wollten Wasser schöpfen. Hannes erhob sich, machte ihnen Platz, zog auch seinen Rappen weg vom Brunnen. Erschöpfung kroch ihm durch
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