Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)
wandte sich an ihn. »Und wohin werdet ihr Gaukler als Nächstes ziehen, wenn ich fragen darf?«
»Nach München«, erklärte David noch halb geistesabwesend.
»Ach was – München!« Greenley winkte ab. »Schon möglich, dass eure Truppe nach München fährt, jedoch wird sie es ohne dich und deine Frau tun müssen.« In freundschaftlicher Geste legte er David den Arm um die Schulter. »Nicht wahr, Jean Potage? Oder lässt dir das Leben etwa noch immer eine Wahl? Bedenke: Es ist bereits das dritte Mal, dass es uns einander über den Weg schickt. Es pflegt sich irgendwann zu rächen, wenn man seine Geschenke missachtet.«
David verschlug es die Sprache. Er spürte die Blicke der Komödianten, sah aus den Augenwinkeln, wie die Edelfrau die Brauen hob, suchte nach Worten und fand keine. Die Bedingungslosigkeit, mit der Greenley ihn wollte, überwältigte ihn. Am Feuer sprach jetzt keiner mehr ein Wort. Der junge Gaukler merkte kaum, wie seine Rechte in die Jackentasche fuhr und nach dem Mutterzopf griff. Er dachte an seinen Tanzbären, er dachte an Stephans liebes Gesicht und blickte in die eisgrauen Augen des Prinzipals. Obwohl Greenley nicht mehr ganz nüchtern sein konnte, glitzerten sie in völliger Klarheit, und allergrößte Aufmerksamkeit lag in ihnen. »Wenn Ihr mich mitnehmt, will ich gern mit Euch ziehen«, hörte David sich sagen.
Palaver und Getuschel erhob sich unter den Komödianten am Feuer, alles auf Englisch. Die Männer staunten nicht schlecht. »Erwird künftig mit uns auftreten?«, fragte einer, und ein anderer versuchte gar nicht erst, sein Misstrauen zu verbergen. »Spielt der Gaukler denn auch gut genug?«
»Wer von euch war gestern auf dem Hauptmarkt und hat David Unterkofler mit dem Bären auf der Bühne des Zahnbrechers gesehen?«, fragte Greenley in die Runde. Vier Engländer meldeten sich, darunter jener Glattrasierte namens Rowland, der die Ehebrecherin gespielt hatte. »Und wie hat er euch gefallen?«, wollte der Prinzipal wissen. Alle vier waren sich einig: David hatte seine Sache gut gemacht. Eine Frau hob das schöne Kostüm hervor, das er getragen hatte.
»Das hat Susanna mir geschneidert«, entfuhr es David, der nicht wusste, wie ihm geschah. Die Stimmen und Blicke um ihn herum verwirrten ihn und machten ihn ganz scheu. Er spähte zu den Tanzenden – die merkten nicht, was hier vor sich ging. Susanna drehte sich zum Rhythmus der Trommel und zur Melodie von Laute und Dudelsack, als hätte sie ihr ganzes Leben nichts anderes getan.
»Na also.« Greenley streckte einer der Hausfrauen seinen leeren Becher hin, damit sie ihm nachschenkte. »Wie ihr hört, ist er gut genug. Selbst Mr. Rowland ist der Meinung.«
»Du bist unser Prinzipal, Christopher«, meldete der dicke John Taylor sich wieder zu Wort. »Du entscheidest, wer zur Compagnie gehören soll, und wer nicht …«
»Recht hast du, John«, sagte Greenley und prostete ihm zu.
»Vielleicht wäre es aber dennoch ratsam, wenn der Gaukler uns allen eine Kostprobe seiner Kunst gibt, bevor er und sein Weib endgültig zu uns stoßen.« Und an David gewandt fügte er hinzu: »Er möge mir das nicht als Misstrauen auslegen, Mr. Unterkofler, doch jeder hier muss sich auf die Kunst des anderen verlassen können – es geht schließlich um nichts weniger als unser aller Lebensunterhalt.«
»Wahr gesprochen, Mr. Taylor«, ergriff nun die Edelfrau dasWort. »Der Gaukler soll uns beweisen, dass er mehr zu bieten hat als nur Hanswurstiaden.«
Der Zweifel war unüberhörbar – genau wie der Befehlston. David begriff im selben Moment, dass er es tatsächlich mit einer Prinzessin zu tun hatte und dass dieser in der Komödianten-Compagnie eine weitaus wichtigere Rolle zufiel, als nur Greenleys Bewunderin zu sein.
»Einverstanden.« David schluckte. »Was soll ich euch vorspielen?« Seine Stimme klang heiser, und sein Blick suchte Susanna. Die drehte sich unter den führenden Händen des unverschämten Aaron. David hasste ihn. Nein, er dachte gar nicht daran, sein Verhältnis zu Susanna klarzustellen.
»Die einzig richtige Frage, Jean Potage.« Greenley legte ihm die Hand auf die Schulter. »Ich werde dir sagen, was du uns vorspielen sollst. Die Tragödie von der Ehebrecherin hab ich nämlich umschreiben müssen, weil uns der Schauspieler, der den Studenten gespielt hat, vor drei Tagen fortgelaufen ist. Also habe ich seine Rolle übernommen und meine gestrichen – die des Dieners. In sieben Tagen werden wir das Stück zum letzten Mal
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