Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)
eine Decke und streckte sich unter der Linde aus.
Am frühen Vormittag weckte ihn der Lärm von über Kopfsteinpflaster holpernden Wagenrädern und Hufschlag. Er blinzelte in die Lindenkrone und lauschte. Eine laute Stimme hallte über den großen Burghof, eine Stimme, die keiner überhören konnte: Sein erster Hochzeitsgast war eingetroffen; einer, der ihm zugleich die Zeremonienmeisterin gab – Maria.
*
»Dahin stellen wir die Tafel.« Maria zeigte auf den großen Burghof. »Für die Kammerdienerschaft und die Eskorten ist Platz genug dort hinten unter der Kastanie und den Apfelbäumen.« Sie drehte sich ein paarmal um sich selbst, sodass Kleid und Unterkleider ihr wie ein Reif aus weißen und bunten Stoffen um Fesselnund Knie wehten, und deutete schließlich auf die große Terrasse rechts der neuen Vortreppe. »Und hier werden die Komödianten ihre Bühne aufbauen. Durch die Terrassentüren können sie auf- und abtreten und dahinter, im kleinen Rittersaal, ihre Garderobe einrichten und die Tische für ihre Maskerade aufstellen.«
Gegen zehn Uhr war sie aus einer von fünf Kutschen ihres Trosses gestiegen, hatte eine Kleinigkeit gegessen, danach gebadet und sich dann ein wenig schlafen gelegt. Jetzt war es halb drei, und die Prinzessin von Bernstadt wirkte frisch und ausgeruht wie nach einer durchschlafenen Nacht. Maximilian fragte sich, woher sie die Kraft nahm. Immerhin lagen zwei Wochen auf den Landstraßen des Reiches hinter ihr. Er beneidete sie. Und er war froh, sie jetzt schon an seiner Seite zu haben.
»Für die Musiker stellen wir ein Podest neben der Vortreppe auf, und die Tafeldiener können vom kleinen Burghof aus bedienen und den Durchgang neben dem Gesindehaus nehmen.«
»Das klingt vernünftig.« Maximilian war alles recht.
Marias Reisebegleitung hockte schwatzend an einigen Tischen auf der Terrasse, ein kleiner Hofstaat von immerhin fünfzehn Zofen, Kutschern, Dienern und Gardisten. Auch zwei Musiker befanden sich darunter. Und ein Maler. Nicht mehr der rothaarige Jüngling aus Antwerpen, wie Maximilian zu seiner Genugtuung bemerkte, sondern ein kleiner, stämmiger Italiener in fortgeschrittenem Alter. Der baute gerade seine Staffelei im Burghof auf.
»Und jetzt in die Küche«, entschied Maria. Sie nahmen den Weg über den kleinen Burghof. Vor den Gräbern dort stand noch immer der Stuhl, auf dem Maximilian die halbe Nacht verbracht hatte. Statt direkt zur Küche zur gehen, bog Maria zu ihm ab, setzte sich und betrachtete die Blumenpracht auf den Gräbern.
»Jetzt weiß ich, warum du so bleich aussiehst.« Mit einer Kopfbewegung deutete sie auf Becher und Weinkrug, die noch neben dem Stuhl im Gras lagen. Maximilian und holte einen zweiten Stuhl vom Tisch unter der Linde. »Wie ich hörte, scheiterte deineBeförderung vor zwei Jahren an einem Streit zwischen Mathis und dir.«
»Nicht der Rede wert.« Der Rittmeister winkte ab.
»Aus dem Mund meines Prinzen klang das anders – mit blankgezogenen Seitenwehren sollt ihr aufeinander losgegangen sein. Du hättest Mathis sogar verletzt.« Maximilian starrte auf das Grab seiner Schwester und blieb stumm. »Du musst sehr aufgebracht gewesen sein. Anders vermag ich mir nicht zu erklären, wie du mit dem Degen auf deinen besten Freund einschlagen konntest.«
»Wir waren betrunken.«
»Und ihr habt gestritten. Angeblich ging es um deine Mutter und um Hildegard.« Sie deutete auf die Gräber. »Und du sollst Dinge über deinen Vater gesagt haben, die man nicht einmal denken darf.«
Maximilian runzelte die Brauen. »Man spricht darüber?« Darauf war er wirklich nicht gefasst gewesen. »Ist das wahr?«
»Im ganzen Regiment inzwischen.« Maria nickte. »Vermutlich auch schon unter den Offizieren anderer Regimenter. Georg gibt sich alle Mühe, die Gerüchte zu zerstreuen. Euern Streit stellt er als harmlosen Händel dar. Er tut alles, um die Ehre deines Vaters zu schützen.«
Maximilian schüttelte den Kopf. »›Die Ehre meines Vaters …‹« Er zischte böse und bekam mit einem Mal sehr schmale Augen.
»Ist es also wahr, was man sich erzählt?« Sie legte ihren Arm auf seinen Rücken und sah ihn besorgt an. »Ist also etwas daran, an den Gerüchten?«
»Ich kenne die Gerüchte nicht, weiß auch nicht, was man sich erzählt. Wahr aber ist, dass der Herr Graf seine Tochter wie seine Hure gehalten hat und dass er sie erschlagen hat, als sie sich eines Tages wehrte.«
»Gütiger Himmel …!« Maria presste die Hände gegen die Wangen, aschfahl
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