Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)
Susanna trug das nachtblaue Kleid mit den weinroten und himmelblauen Blumenornamenten. Sie lächelte, wann immer sie sich beobachtet fühlte.
Spät am Abend, in einer Schlafkammer des Heilsbrunner Hofes, sollte die Hochzeitsnacht beginnen, und David machte Anstalten, ihr das Kleid auszuziehen. »Ich will nicht«, sagte Susanna. Sie rollte sich in ihr Bärenfell und hielt die Enden straff vor der Brust zusammen. »Lass mir noch Zeit.«
3
A us den Kastanien im vorderen Burghof schwebten einzelne gelbliche Blätter. Schon wieder September. Der Rittmeister folgte dem Gärtner zur Mauer und zum Torbogen vor dem hinteren Burghof; der alte Mann hinkte und schleppte eine volle Gießkanne.
Sie hatten es in sich gehabt, die September der vergangenen Jahre: 1620 mit Spinola in der linksrheinischen Pfalz und an der Bergstraße, 1621 mit Maria am Rhein und in der kurpfälzischen Residenz, 1622 mit Tilly im eroberten Heidelberg und im vergangenen Jahr dann gegen den Halberstädter im Münsterland.
Hinter dem Gärtner her bückte Maximilian von Herzenburg sich ins Halbdunkel des Durchgangs. Der führte durch die Verbindungsmauer zwischen der Hauptburg und dem Nebengebäude mit den Gesindekammern und den Stallungen. Das Haar des Gärtners war entschieden weißer als noch vor sechs Jahren. Da hatte Maximilian ihn zuletzt gesehen.
Im vergangenen September gegen den Halberstädter? Halt – das war doch schon im August gewesen! Im August starb Mathis, genau. Und mit ihm zwei weitere gute Männer der Herzenburger Kompanie. Der Rittmeister wollte nicht daran denken und dachte doch immer wieder daran. Im September hatten sie dann dieses widerspenstige Nest ausgeräuchert – wie hieß es gleich? – und die Köpfe der Rädelsführer auf Hellebarden gespießt vor dem Rathaus aufgepflanzt. Und dann kam die Pest.
Eine alte Linde beherrschte den hinteren Burghof, den »kleinen«, wie sie ihn nannten. Halb unter ihrer schon herbstlichen Krone, vor einer niedrigen Gartenmauer, stand noch immer der wuchtige Eichentisch mit fünf Stühlen. Der Rittmeister ließ denBlick weiterschweifen: links die großen Fenster und die Hoftüre zur Burgküche, davor noch immer der Kräutergarten und rechts, unter dem hoch aufragenden Rundturm, die beiden Grabsteine. Um diese Tageszeit lag kein Schatten mehr auf den Gräbern, sondern rötliches Abendlicht.
Maximilian von Herzenburg war gerade erst durch das Burgtor geritten. Simon und Conrad versorgten die Pferde. An der Seite des alten Gärtners ging er nun zu den Gräbern. Die Dahlien blühten noch. Alles sah aus wie immer; als wäre er niemals fort gewesen.
Sie hatten es in sich gehabt, die September der vergangenen Jahre, weiß Gott. In diesem September war noch niemand gestorben. Jedenfalls nicht in Maximilians Gegenwart. Doch sollte der Schwarze Kasper noch einen auf der Liste führen, blieben dem ja noch zwölf Tage Zeit, um zur Hölle zu fahren.
»Wie meinen, Herr Rittmeister?« Der Gärtner stand plötzlich still und beäugte ihn von der Seite, und Maximilian merkte, dass er laut geredete hatte, dergleichen widerfuhr ihm zuweilen in letzter Zeit.
»Ist Er taub? Der Spätsommer will noch lange nicht zu Ende gehen, habe ich gesagt.« Er schritt allein weiter zu den Gräbern. Über die niedrige Gartenmauer zwischen Rundturm und Hauptburg hinweg sah man noch immer ins Elbtal.
»Wir hätten nichts dagegen, was, Herr Rittmeister?« Der Gärtner hinkte zu ihm und machte Anstalten, die Blumen auf den Gräbern zu gießen.
Maximilian nahm ihm die Kanne aus der Hand und goss zuerst die Blumen auf dem Grab seiner Schwester – blutrote Seerosendahlien – und dann die auf dem seiner Mutter, hellere anemonenartige Dahlien mit weißen Blütenspitzen. »Schön«, sagte er und betrachtete die gelben Rosen neben den Grabsteinen. »Schön hat Er die Gräber gepflegt.« Er reichte dem Gärtner die Kanne und nickte ihm zu; so freundlich, wie er eben konnte. »Auch denKräutergarten.« Mit einer Kopfbewegung deutete er hinüber zur Burgfassade. »Famos in Schuss.«
Der Gärtner verneigte sich, murmelte einen Dank und hinkte unter der Linde hindurch zurück zum Durchgang und in den vorderen Burghof, den »großen«, wie sie ihn nannten. Maximilian holte einen Stuhl vom Tisch, stellte ihn vor dem Grab seiner Schwester ab und setzte sich.
»Da bin ich wieder, Hildegard.« Er legte den Koller ab, öffnete das Wams. »Hab es noch rechtzeitig geschafft.« Auf den Tag vor dreizehn Jahren war sie gestorben. Seit
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