Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)
und die Niederlande zu beauftragen.
Der Prinz von Bernstadt hatte Maximilian das Geheimnis anvertraut: Weil es entschieden schlecht stand für die Habsburger Reichspolitik und die katholische Sache, dachte man am Hof zu Wien darüber nach, die feindlichen Kriegsheere mit der bayrischen Armee des Grafen von Tilly auf der einen und einem zweiten Feldherrn und seinem Heer auf der anderen Seite in die Zange zu nehmen. Allein, die kaiserliche Schatulle war leer und es fehlte schlicht am nötigen Geld, um ein solches Heer zu werben.
Der Fürst von Friedland Wallenstein rechnete sich gute Chancen aus, jener zweite Feldherr zu werden, denn er war sehr reich und besaß das nötige Vermögen, um ein großes Heer auf die Beine zu stellen. Und einen ausgezeichneten Ruf als Militärstratege hatte er außerdem.
Maximilians Miene entspannte sich zu einem zufriedenen und zugleich ein wenig spöttischen Lächeln. Seit langem war es in seiner Miene erloschen, das immer gleiche Lächeln des überlegenen, selbstsicheren Siegers, der nichts und niemanden fürchtete. Jetzt, wo die Tür weit offen stand, durch die er dem Kommando des Herrn Grafen zu entkommen gedachte, jetzt kehrte es in seine Züge zurück.
Er überflog die Regimentslisten. Sie enthielten vor allem die Namen von Arkebusieren, die künftig unter seiner Herzenburger Hirschfahne reiten würden. Die Hälfte seiner Leute war ja gefallen, und seine Kompanie musste ergänzt werden. Vor allem aber würde er künftig sieben Kompanien befehligen – ein ganzes Reiterregiment.
Er suchte nach ihm bekannten Namen auf der abgeschriebenen Liste, fand auch einige und wollte das Papier schon wieder zusammen rollen – da fiel sein Blick auf einen Namenszug, den er zuvor übersehen hatte. Jetzt drängte er sich ihm mit Macht ins Auge: Stein, Johannes, Corporal …
Maximilian von Herzenburg stand reglos und starrte aus schmalen Augen die Zeile mit dem Namen an.
Stein, Johannes, Corporal …
Ihm war, als hätte ihn ein Fausthieb getroffen.
4
Z umeist düstere Gestalten bevölkerten die Bühne. Steif wie Puppen traten sie auf und ab, ihre Gesichter blieben ohne wirklichen Ausdruck. Selbst in Dialogen, in denen es um Leben und Tod ging, hoben oder senkten diese Schauspieler kaum einmal ihre Stimmen, und nichts als eine gleichförmige Wortmühle surrte und schnarrte von der Bühne in den großen Internatssaal herab. David war enttäuscht.
Dazu kam: Die Schauspieler, allesamt Schüler und Lehrer des Jesuiteninternates von Bamberg, sprachen kein Wort Deutsch während des Stückes. Liebe und Hass, Aufstieg und Fall, Rettung und Verdammnis – alles handelten sie auf Lateinisch ab. Nur weil der Prinzipal Greenley und sein ältester Komödiant Taylor übersetzten, verstand David überhaupt, worum es ging: Um den Aufstieg eines ruhmsüchtigen und scheinheiligen Gelehrten und seinen Sturz in die Hölle auf der einen, und um das weltabgewandte Leben eines Heiligen und seinen Weg in den Himmel auf der anderen Seite.
Greenleys Compagnie war auf dem Weg ins Kurfürstentum Sachsen. Auf einer gräflichen Burg dort sollten sie Mitte Oktober während einer Hochzeit auftreten. Die Prinzessin von Bernstadt hatte das vermittelt. Jetzt standen Greenleys Wagen erst einmal vor den Mauern von Bamberg – der Magistrat ließ die Engländer nicht in die Stadt hinein. Dabei lag dem Fürstbischof des Bistums Bamberg eine schriftliche Bitte des Prinzipals vor, während des Herbstmarktes in der Stadt spielen zu dürfen. Maria von Bernstadt hatte sie ihm im August überbracht, auf ihrer Reise nach Kursachsen. Die Komödianten hatten nie eine Antwort darauf erhalten.
Gestern hatte Greenley persönlich beim Magistrat vorgesprochen. Er versicherte den ehrwürdigen Herren, ausschließlich Geschichten aus der Bibel zu spielen. Auf die Antwort warteten die Engländer noch. Einstweilen hatte der Fürstbischof sie für heute ins Internat des jesuitischen Gymnasiums eingeladen; wohl, damit sie endlich einmal in den Genuss von gottwohlgefälligem Theater kamen, von Theater, wie der Fürstbischof es liebte. Jesuitentheater.
Der Prinzipal und Taylor hatten die jungen Leute der Wandertruppe mitgenommen: David, Susanna, Aaron und einen jungen, niederländischen Blondschopf namens Piet van Dam und seine deutsche Frau. Sie sollten lernen, wie andere es machten. Und lernten doch nur, wie man Langeweile verbreitet. Selbst Susanna, die David für eine fromme Frau hielt, schien unaufmerksam. Die meiste Zeit sah David sie neben
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