Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)
gewohnt zu sein, denn sie blieben bester Stimmung: musizierten, sangen, übten Jonglage, Kopfstände und komplizierte Tanzsprünge; sie probten einzelne Passagen ihrer Komödien und Tragödien, schrieben sie um oder fassten ganze Dialoge völlig neu.
Susanna schnitt Stoff zu, nähte sich ein Tuch aus dem Stoff, den David ihr in Asper geschenkt hatte, und bestickte es mit Sternen, Mond und Spiralnebel. Danach versuchte sie sich am Schnitt eines Kostüms, wie es der erfolglose Erzengel in Bamberg getragen hatte. Die Katze lag die meiste Zeit neben ihr. Die anderen Frauen kürzten den Männern und einander die Haare, besserten Kleider und Decken aus und nahmen sich Zeit, wahre Festmähler zuzubereiten.
David ging jeden Morgen hinüber zum Wagen des Prinzipals und verbrachte viele Stunden bei ihm. Am Abend dann erzählteund zeigte er Susanna, was er Neues gelernt hatte: Zwischenspiele und witzige Reden des Pickelherings und Grimassen, Bewegungen und Tanzfiguren.
Wenn es dunkel wurde und in Susannas und Davids Wagen die halbe Compagnie sich paarweise unter ihren Decken verkroch, war es zumindest für Susanna vorbei mit der guten Stimmung, denn dann begann er meistens, der Liebeslärm, und das nicht zu zahm. Am lautesten trieben es Helena und ihr Niederländer, und am häufigsten außerdem. Zu allem Überfluss lag dieses Paar auch noch neben Susanna und David. Mit dem Schlafen jedenfalls war es vorbei, und Susanna lag wach und lauschte.
Ein gewisses Verlangen regte sich wohl in ihr, wenn das Liebesstöhnen und -seufzen der Frauen und Männer den Wagen erfüllte, und sie wusste genau, dass David wach neben ihr lag, sich quälte und wartete, dass sie auf ihn zukam. So hatten sie es vereinbart: Sie hatte versprochen, den ersten Schritt zu tun; wenn sie so weit sein würde.
Bei nur leichtem Regen stieg David während des Liebeslärms häufig aus dem Wagen und blieb eine Zeitlang fort; bei starkem Regen blieb er liegen und begann irgendwann kaum hörbar zu seufzen. Beides konnte Susanna sich lange nicht erklären.
Wieder und wieder nahm sie sich vor, es in dieser Nacht einfach zu versuchen; doch wenn David sich dann abends neben ihr ausstreckte, siegte erneut die Angst. Am Tag griff sie häufig zu ihrem Buch und las die alten Notizen aus Heidelberg und die Briefe, die sie für Hannes verfasst hatte und die sie ihm im Himmel zu überreichen gedachte. Solche Lektüre fachte ihre Lust nicht eben an.
So ging das, bis es zu regnen aufhörte und die Männer am Tag vor der Weiterreise vormittags die Wagen ausgruben und aus den Schlammkuhlen schoben. Da nahm Helena sie beiseite und sprach mit ihr. Die Frau des Niederländers kannte Susannas Geschichte ein wenig, wusste jedenfalls, dass Susanna vor ihrer Hochzeit miteinem anderen verlobt gewesen und dass ihr Geliebter gestorben war. Was in Heidelberg geschehen war, hatte Susanna ihr nicht erzählt. Doch wahrscheinlich ahnte Helena es.
Susanna solle nach vorn schauen, sagte sie, die Vergangenheit sei nicht mehr zu ändern, doch die Zukunft gehöre ihr und David, und etwas Schöneres, als mit ihrem Mann Piet die Freuden der Liebe zu genießen, könne sie, Helena, sich gar nicht vorstellen. Und flüsternd und von Frau zu Frau gab sie ihr ein paar Ratschläge.
Susanna konnte sich auf Anhieb dutzende schönere Dinge vorstellen, dennoch nahm sie sich Helenas Worte zu Herzen.
Die Mittagssonne später wärmte Luft und Boden sofort wieder auf, sodass die Frauen der Komödianten Leinen zwischen Wagen und Bäumen spannten und die vom langen Regen feucht gewordenen Kleider und Decken zum Trocknen aushängten. Am frühen Nachmittag, nach dem Essen, gingen die meisten Komödianten an den nahen Teich, um Wäsche und sich selbst zu waschen. Susanna packte einen Krug Wein, zwei Becher und ein wenig Brot in einen Korb, dazu zwei Birnen vom übrig gebliebenen Obst. Und eine Decke. Die Katze lief neben ihr her, als sie zum Teich ging.
Über das Schilf hinweg erspähte sie die Stelle, an der die Männer sich wuschen. David schwamm ein Stück abseits, schon fast in der Teichmitte. Er erkannte sie jedoch und winkte, und Susanna winkte zurück; winkte, bis sie ein paar hundert Schritt weiter am Waldrand stehen blieb. Die Bäume wuchsen hier bis ans Seeufer heran.
Sie breitete die Decke aus, goss Wein in die Becher und setzte sich auf ihre Fersen. Die Katze huschte in den Wald. Nackt stieg David kurz darauf aus dem See und kam zu Susanna auf die Decke. Wortlos reichte sie ihm den Becher und stieß
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