Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)
schließlich schwer atmend auf sie sank, verschränkte sie ihre Beine über seinem schmalen Gesäß, hielt ihn fest und fühlte eine tiefe Zufriedenheit. Aus der Weidenkrone über ihr lächelte ein Gesicht aus Ästen und Laub und darüber lächelte der Himmel, und Susanna lächelte zurück. Und ihre Augen füllten sich mit Tränen.
Später trug David sie ins Wasser. Sie klammerte sich an ihm fest, lachte und war ziemlich vergnügt. Wieder überließ sie sich seinen geübten Armen und brachte tatsächlich ein paar selbstständige Schwimmzüge zustande.
Bevor die Sonne sank, hängten die Komödianten die getrockneten Kleider und Decken ab und versorgten die Pferde. Aaron, David und Charly Rowland fingen elf Barsche und einen großen Hecht. Am Feuer, nach dem Essen, las der Prinzipal Verse des römischen Dichters Lukrez vor, den er sehr liebte. Anschließend packten Taylor und der deutsche Komödiant namens Otto Eichinger ihre Lauten aus, Aaron seine Schalmei, David und Helena ihre Geigen und Charly seinen Dudelsack. Andere schlugen die Trommeln oder spielten auf ihren Flöten, auch Susanna. Bis in die Nacht hinein sangen und tanzten sie, und zum ersten Mal seit langer Zeit hielt Susanna das Leben für einfach schön.
Im Wagen dann, als spät in der Nacht der Liebeslärm wieder losbrach, ließ Susanna sich von ihrem eigenen Verlangen überwältigen, zog sich aus und kroch unter Davids Decke. Er hatte viel zu viel Wein getrunken und wirkte reichlich verdutzt. Sie hörte ein erstauntes Lachen in seinem Seufzen, als sie ihn streichelte. DochDavid ließ sich nicht zweimal bitten, und diesmal spürte sie es heftiger, jenes Brennen und Dürsten und Schmelzen-Wollen.
Am Schluss schob David sie auf sich, hielt sie an den Hüften fest und stieß sie von unten. Als würde sie auf einem sehr heißen, sehr starken Ross reiten, so kam Susanna sich vor. Sie merkte kaum, wie sie seufzte und stöhnte, und ganz am Ende begann ihr feuriges Ross zu fliegen, und die Reiterin stieß einen Schrei aus und sank über ihrem Liebhaber zusammen.
Stille herrschte im Thespiskarren, zwei, drei Atemzüge lang. Verdächtige Stille. Susanna räkelte sich unter Davids tastenden Fingern und lauschte: kein Liebeslärm mehr? Plötzlich rief jemand »Bravo!« – Piet van Dam –, und dann erfüllte Applaus die Dunkelheit.
5
M anchmal, wenn er versuchte, in die Haut des armen Studenten oder des Prinzen Hamlet oder des Pickelherings zu schlüpfen, blickte er über Aaron und das Pferdegespann hinweg in eine Landschaft, die sich flach in alle Himmelsrichtungen erstreckte. Kaum einen Hügel bekam David zu sehen. Dafür Birkenwäldchen, Heide, Flussläufe, Wiesen, Teiche und Kiefernwälder. Der Komödiantentross zog nach Osten der Elbe entgegen, Leipzig und Eilenburg lagen schon hinter ihnen.
»Noch einmal …« Der Prinzipal hustete und spuckte in ein Schnupftuch. Schon seit Bayreuth kämpfte er mit einer starken Erkältung – Folge der Regentage auf dem Weg durch die Markgrafschaft. »Versuch es noch einmal, David.« Greenley steckte das Schnupftuch weg. Sie saßen hinter dem Kutschbock, David auf einem Bohnenfass, der Prinzipal in einem mit Decken und Kissen gepolsterten Lehnstuhl, dem man die Beine zur Hälfte abgesägt hatte. Aaron lenkte den Wagen.
»Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage.« David sprach sehr langsam, ließ einzelne Worte einen ganzen Atemzug lang allein im Raum stehen und nachklingen. »Ob’s edler im Gemüt, die Pfeil’ und Schleudern des wütenden Geschicks erdulden, oder, sich waffnend gegen einen See voll Plagen, durch Widerstand sie enden.« Seine Stimme klang mühelos und laut genug, um das Rattern der Räder und den Hufschlag des Gespanns zu übertönen, und das ständige Peitschenknallen, das Aaron veranstaltete; mit Absicht, wie David vermutete. »Sterben – schlafen – nichts weiter! – und wissen, dass ein Schlaf das Herzweh und die tausend Stöße endet, die unseres Fleisches Erbteil …«
David gestikulierte, wie Greenley es ihn gelehrt hatte, mussteaber schon gar nicht mehr hinsehen auf seinen Lehrer, der vor ihm im abgesägten Stuhl stumm die Lippen bewegte und seine Hände, Lider, Brauen, Mundwinkel, Nasenflügel, Stirn und Lippen tanzen ließ. David fühlte, was der Prinz von Dänemark gefühlt haben mochte – oder besser: sein Schöpfer –, als er diese Worte sprach, und was er fühlte, zeigte sich inzwischen wie von selbst in seinen Zügen. Ja, mehr noch: David empfand bei den Worten des Prinzen
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