Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziebula
Vom Netzwerk:
von Dänemark selbst, was der Prinz empfunden haben mochte – einen tiefen Ernst, eine schmerzhafte Zerrissenheit, eine zu Boden ziehende Melancholie geradezu, ein Schwanken und Hin-und-her-gerissen-Werden, ja sogar einen Anflug von Todessehnsucht. Manchmal schauderte ihn vor den Abgründen einer Seele, die doch nicht seine war. Oder lebten etwa unentdeckt am Grund seines Herzens Gefühle wie diese? Konnte er sie deswegen so deutlich empfinden?
    »Denn wer ertrüg’ der Zeiten Spott und Geißel, des Mächt’gen Druck, des Stolzen Misshandlungen, verschmähter Liebe Pein, des Rechtes Aufschub, den Übermut der Ämter, und die Schmach, die Unwert schweigendem Verdienst erweist, wenn er sich selbst in Ruh’stand setzen könnte mit einer Nadel bloß! Wer trüge Lasten …«
    David fühlte und sprach sich immer tiefer in Herz und Hirn des Prinzen von Dänemark hinein, und Greenley hörte auf zu gestikulieren und die Lippen zu bewegen; er musste David keine Vorlage mehr bieten. Ernst und Schwermut verschwanden aus seiner Mimik, und zufrieden lächelnd beobachtete er seinen den Hamlet mimenden Schüler.
    »Nur dass die Furcht vor etwas nach dem Tod – das unentdeckte Land, von des Bezirk kein Wandrer wiederkehrt – den Willen irrt, dass wir die Übel, die wir haben, lieber ertragen, als zu unbekannten flieh’n. So macht Gewissen Feige aus uns allen …«
    »Gut so!« Der Prinzipal klatschte in die Hände. »So macht Gewissen Feige aus uns allen!« Er lachte krächzend. »Sehr gut, somuss es sein! So will ich es …!« Der Rest ging in einem Hustenanfall unter. Auf dem Kutschbock aber drehte Aaron sich um, bedachte David mit einem abfälligen Blick und den Prinzipal mit einem sorgenvollen.
    Den jungen Engländer und Greenley verband mehr als nur die gemeinsame Leidenschaft für ihren Beruf, das hatte David erst in Bayreuth gemerkt. Und auch dort nur, weil Susanna ihn darauf aufmerksam gemacht hatte. Manchmal schauten die beiden ungleichen Männer einander an, wie Vater und Sohn oder Onkel und Neffe sich niemals anschauen würden. Manchmal berührten und sprachen sie so zärtlich miteinander, wie Freunde es selten tun, und sie stritten so leidenschaftlich miteinander, wie Herr und Knecht oder Lehrer und Schüler es niemals tun würden.
    Und sie schliefen allein in einem Wagen.
    Susanna behauptete, Liebeslärm aus dem Wagen gehört zu haben. David mochte es noch immer nicht glauben, denn erst gestern hatte er Aaron wieder ertappt, wie er begehrliche Blicke auf Susanna geworfen hatte.
    »Und jetzt das Zwischenspiel vor dem Duell.« Greenley hatte aufgehört zu husten, steckte das Schnupftuch weg und reichte David einen Holzdegen. »Jetzt der Pickelhering und der Waffenknecht vor dem Königsthron!« Er hustete erneut, stemmte sich hoch und griff dabei nach einem Degen. »Ich höre, David Villacher!« Wie zum Schlag hob er die Waffe.
    Sie probten das lustige Zwischenspiel vor der letzten Szene der Hamlet-Tragödie, in dem der Pickelhering um sein Leben fleht und am Ende den Waffenknecht, der ihn bedroht, überlistet.
    An vielen solcher kleinen Szenen aus verschiedenen Stücken ließ der Prinzipal seinen Schüler üben, was er ihm in den letzten Wochen beigebracht hatte: Die Regungen des Geistes und des Gemüts vor allem durch Gestik und Mimik darzustellen. Am Lächeln seines Lehrers las David ab, dass er zufrieden mit ihm war.
    Das sah auch Aaron – und wirkte von Stunde zu Stunde unzufriedener. Eifersucht und Missgunst sprachen aus seinen Blicken. Was David von Anfang an gespürt hatte, schien sich zu bewahrheiten: Der junge Engländer und er würden keine Freunde werden.
    Die Auftritte in Bayreuth hatten gerade einmal so viel eingebracht, dass die Komödianten Proviant für die Weiterreise nach Jena bezahlen konnten. Drei Jahre zuvor nämlich hatte ein Feuer die Stadt verwüstet und die Bayreuther ziemlich arm gemacht. Greenley halbierte die Eintrittspreise, und dennoch wollten nur wenige Bürger der Stadt die englischen Komödianten und ihren Pickelhering sehen.
    In Jena dagegen war es ihnen immerhin so gut ergangen, dass sie einen Schmied bezahlen konnten, der ihnen die Pferde und die Wagenräder neu beschlug. In Leipzig hätten sie sogar noch eine Woche länger spielen können, derart entzückt hatten sich Bürger und Magistrat gezeigt. Doch Greenley ließ schon nach wenigen Tagen die Wagen wieder packen: Er wollte um jeden Preis pünktlich bei der Hochzeit jenes Grafensohns ankommen. Dessen Vater zahlte zweihundert

Weitere Kostenlose Bücher