Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)
Geschichten sollten nur von Geistlichen und niemals gegen Eintrittsgeld aufgeführt werden, meint der hochweise Rat. Außerdem sah es der hochwürdige Fürstbischof wohl nicht gern, dass einer von uns während des von ihm so geliebten Jesuitenstückes eingeschlafen ist.«
Aaron handelte sich wütende Blicke der anderen ein; völlig zu Recht, wie David fand, denn alle hatten nun unter dem von ihm mitverursachten Ausfall an Eintrittsgeldern zu leiden. Susanna sah das wohl anders, denn sie warf dem jungen Komödianten einen aufmunternden Blick zu, fuhr ihm sogar wie tröstend über das Haar.
Das nun gefiel David ganz und gar nicht.
*
Der Prinzipal wollte schnellstmöglich weg aus dem Bistum Bamberg und rasch hinüber ins Markgräfliche Bayreuth – er ließ die Pferde antreiben und gönnte den Komödianten nur kurze Nächte und kaum Ruhepausen. Auf dem letzten Marktflecken des Bistums gaben sie ihr letztes Geld für Vorräte aus, und Susanna merkte allmählich, dass der Kreuzer bei den Engländern auch nicht üppiger zu Hause war als bei Gauklern und Zahnbrechern und der Gulden selten im Dutzend zu Gast. Vom Dukaten ganz zu schweigen – der schien ihr weiter nichts als ein gutgemeintes Gerücht zu sein.
Mit sechs Wagen fuhr die Wandertruppe durch das Reich, weiß Gott nicht zu viel für zwanzig Menschen mit ihrem Gepäck und all dem, was sie an Bühnenausstattung und Kostümen brauchten. Susanna wollte kaum glauben, wie viele Körbe, Kisten, Bündel, Truhen und Fässer man in sechs Wagen unterbringen konnte.
Im ersten größeren Städtchen der Markgrafschaft Bayreuth ließ Greenley die Bühne aufbauen. An zwei Tagen spielten sie Herzog Julius’ »Ehebrecherin« und die »keusche Susanna« aus dem Alten Testament; danach lagen wieder genug Kreuzer in den Schatullen, um bis nach Bayreuth fahren zu können, ohne hungern zu müssen.
Susanna erging es längst wie zuletzt, als sie mit Stephan und Marianne unterwegs gewesen war: Reiselust packte sie. Sie brannte darauf, die Städte und Landschaften zu sehen, von denen Aaron und Helena, die deutsche Frau van Dams, erzählten: Bayreuth, Kulmbach, Leipzig, Torgau. Dort, an der Elbe, lag auch die Grafschaft, in der Greenleys Compagnie bei einer mehrtägigen Hochzeit spielen sollte. Drei Wochen noch bis dahin. Susanna konnte es kaum erwarten.
Bayreuth rückte näher. Der September 1624 stand den warmen Sommermonaten in nichts nach: An den sonnigen Nachmittagen badeten die Komödianten in Bächen und Weihern. Selbst in den Nächten kühlte es noch nicht wirklich ab.
Zusammen mit den fünf anderen Paaren der Compagnie schliefen Susanna und David in einem der beiden Wohnwagen der Wandertruppe. Greenley und Aaron schliefen allein in einem kleinen Planwagen, die anderen ledigen Männer im zweiten Wohnwagen. Die Komödianten nannten diese langen Wagen nach einem griechischen Dichter »Thespiskarren«.
Leicht schräge Holzdächer bedeckten diese großen Gefährte, sodass Regen daran abfließen konnte; viele kleine Fenster in den Holzwänden sorgten für Licht und frische Luft. In jedem dieser Wohnwagen gab es aufklappbare Tische und je einen kleinen Herd, von dem ein Rohr den Rauch nach draußen leitete, wenn man kochte. Susanna staunte, in wie kurzer Zeit man diese Thespiskarren in kleine Bühnenräume umwandeln konnte.
Solange es warm war und nicht regnete, bat sie David, mit ihr draußen unter dem Zeugwagen oder im Gras unter freiem Himmel zu schlafen. Jeden Abend bei Einbruch der Dunkelheit nämlich und beinahe jede Nacht begann irgendjemand zu stöhnen, zu seufzen oder zu kichern. Häufig kam es auch vor, dass einer der Männer oder eine der Frauen einen Schrei ausstieß, der ganz und gar nicht nach Schmerzen klang. Manchmal begann hinterher auch eine der Frauen zu weinen, und auch das klang keineswegs traurig.
»Liebeslärm« nannte David das.
Dem wich Susanna gern aus. Nicht zuletzt, weil sie die Neugier und die Fragen der anderen fürchtete – sie und David nämlich veranstalteten keinerlei Liebeslärm.
Ende September gerieten sie kurz vor Bayreuth in einen Gewitterregen. Es blitzte und donnerte stundenlang, danach regnete es an vollen vier Tagen. Die Wege verschlammten, die Wagen blieben stecken, die Wandertruppe kam nicht mehr voran. Unmöglich, außerhalb des Thespiswagens zu schlafen. Die Männer schoben die vier Planwagen dicht zusammen und spannten als Regenschutz eine große dicke Leinwand über sie und die Tiere aus.
Die Komödianten schienen Schlimmeres
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