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Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziebula
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strengen Blick bedeutete Greenley dem jungen Komödianten auf dem Kutschbock, endlich zu schweigen. »Jeder gibt dem Pickelhering seine ganz eigene Note«, fuhr er dann fort. »Das stimmt schon. Mein Pickelhering ist mehr als ein bäuerlicher Tölpel, der nur an Völlerei und Geschlechtsliebe denkt. Mein Pickelhering ähnelt dem Harlekin der Welschen: Er kann gut und teuflisch zugleich sein, kann das Bühnenschicksal von Fürsten und Königinnen lenken, reißt Heuchlern die Maske vom Gesicht, bringt Tyrannen zu Fall, spricht Dinge aus, die sonst keiner zu sagen wagt. Mein Pickelhering stopft dem Spötter sein Lachen zurück in den Hals und kann doch auf der anderen Seite jeden Trauerkloß erheitern …«
    »Und zwar auf kunstvolle Weise!« Wieder mischte Aaron sich ein. »So wie man es sich auch von Kemp und Sackville erzählte: Wo beliebige Worte aus beliebigem Mund nicht einmal einen gut gelaunten Mann zum Schmunzeln brachten, haben dieselben Worte aus Kemps oder Sackvilles Mund sogar den Schwermütigsten zu Lachstürmen hingerissen.«
    Greenley musste husten, und David dachte nach. »Ich weiß nicht, ob ich mein Leben lang Leute zum Lachen bringen will«, sagte er schließlich. »Einen wie den Romeo zu spielen oder gar den Hamlet reizt mich beinahe noch mehr als der Pickelhering.«
    »Hört, hört!«, rief Aaron und knallte mit der Peitsche. »Nur unsere Besten spielen den Pickelhering, hast du das nicht begriffen? Außerdem muss gespielt werden, wofür das Volk zahlt!«
    »Da ist leider etwas dran.« Seufzend steckte Greenley sein Schnupftuch weg. »Den Deutschen muss man die Komödien und Tragödien möglichst schlicht auf die Bühne stellen und dazu einen Lustigmacher auftreten lassen, am besten als Hauptfigur, sonst kommen sie nicht. Und wer zahlt uns dann Wein und Fleisch und Brot?« Wie bedauernd breitete er die Arme aus und zuckte mit den Schultern.
    »Die Prinzessin von Bernstadt!«, lachte Aaron.
    »Genug davon.« Der Prinzipal winkte ab. »Ich muss ein wenigschlafen. Komm zu mir, Aaron, und mach mir einen Brustwickel.« David übernahm die Zügel und die beiden Engländer zogen sich in den Wagen zurück.
    Am nächsten Tag erreichten sie die Elbe, in der Nacht bekam Greenley Fieber, und am frühen Abend des folgenden Tages sahen sie von weitem den Turm der Burg, auf der sie spielen sollten.
    *
    »Hübsch ist es hier, doch.« Sie drehte sich um sich selbst wie im Tanz, ihre semmelblonden Spirallocken wirbelten ihr um Hals und Spitzenkrägelchen, ihre seidenen Kleidersäume raschelten, ihr Mädchengefolge kicherte. »Unser Hof ist größer, hat einen Springbrunnen. Und keine Kastanien, sondern Eichen frieden ihn ein.«
    Sie war hochgewachsen, ein wenig kräftig, und ihr berühmter Popo war nicht einmal zu erahnen unter den vielen Schichten von Kleid und Unterkleidern. Sie hatte ein rundes Gesicht mit weichen, mädchenhaften Zügen. Wenn Maximilian nicht gewusst hätte, dass sie gerade achtzehn geworden war, hätte er seine Braut auf höchstens sechzehn geschätzt.
    Jetzt betrachtete sie die vordere Burgfassade auf eine Weise, als müsste sie ihren Wert taxieren. »Zu unserem Schlossportal geht man über eine breite Treppe hinauf. Auf dem Vordach darüber gibt es einen Balkon, von dem aus kann man den Gästen zuwinken, wenn sie wieder nach Hause fahren, oder dem Vater, wenn er von der Jagd heimkehrt.« Die Mädchen um sie herum kicherten und tuschelten – Zofen, Gespielinnen, Cousinen. Lauter junge Dinger.
    »Wir winken von der Terrasse aus, Prinzessin«, antwortete Maximilian, um auch einmal etwas zu sagen.
    Der Brautvater war mit seinen älteren Söhnen, von Bernstadt und dem Herrn Grafen zur Jagd ausgeritten, Maria unterhieltMutter und Tanten, und Maximilian zeigte seiner zukünftigen Frau die Herzenburg.
    »Ich will die Pferdeställe sehen«, verlangte sie, und Maximilian zeigte sie ihr. Natürlich waren die Ställe zu Hause in Coburg größer, die Pferde zahlreicher, und es stank auch nicht ganz so nach Pferdemist wie in der Stallung der Herzenburg.
    Danach wollte sie das alte römische Bad im Westflügel sehen. Maximilian zeigte es ihr und ihrem unentwegt kichernden Gefolgsschwarm. Danach wollte sie den großen Garten sehen, und Maximilian führte die Damen hinunter zu Kohlköpfen, späten Pflaumen und Möhren. Seine Braut sah sich flüchtig um und bemerkte, dass es zu Hause, im Garten von Schloss Coburg, einen Karpfenteich gebe.
    »Wir pflegen die Fische an der Elbe zu fangen«, erklärte Maximilian.

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