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Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziebula
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er dem Kammerdiener, den Boten aus Friedland zu ihm in den Turm zu schicken. Danach ging er mit einer brennenden Kerze in den kleinen Burghof hinaus, verharrte ein paar Atemzüge lang vor den Gräbern und klagte Hildegard schweigend seine Enttäuschung über das Mädchen, das er heiraten sollte. Danach stieg er den Rundturm hinauf.
    Im oberen Turmzimmer, unterhalb der Zinnen und des Kerkers, pflegte er seine Korrespondenz und Geschäfte zu erledigen. Früher hatte er sich hier heimlich mit Maria getroffen, wenn ihre Familie zu Besuch war. Hin und wieder auch mit Mathis. Lange her.
    Im letzten Tageslicht beendete er den Brief, den er gestern begonnen hatte – ein Schreiben an von Brüggen, den niederrheinischen Grafen, der ihm die Regimentslisten geschickt hatte. In seinem Brief bat Maximilian den Offizier, ihm alles zu schreiben, was er über jenen Johannes Stein in Erfahrung bringen konnte.
    Zwar hatte der Rittmeister sich nach dem ersten Schrecken klargemacht, dass der Name Stein nicht eben selten vorkam. Doch die Bilder vom hingemordeten Schneeberger und von Mathis, wie er tot neben seinen Gedärmen lag, hatten sich ihm so unwiderstehlich aufgedrängt, als er den Namen auf der Liste entdeckte, dass er sie nicht mehr recht loswurde seitdem. Er brauchte Klarheit, unbedingt!
    Bald hörte er die Schritte des Boten auf der Wendeltreppe. Er rief ihn herein und überreichte ihm den mit seinem Siegel verschlossenen Brief. »Der muss nach Gitschin. Streng geheim, nur der Obrist von Brüggen bekommt ihn zu Gesicht. Sehe Er zu, dass Er vor dem ersten Schnee wieder aus Böhmen zurück bei mir auf der Herzenburg ist. Mit einer Antwort.«
    Er kramte einen Dresdner Dukaten aus dem Wams und gab ihn dem Boten. Der kriegte große Augen – von so einer Goldmünze konnte einer wie er gut und gern einen Monat lang leben, selbst wenn er viel soff und hurte. »Einen zweiten bekommt Er, wenn Er mit der Antwort zurückgekehrt ist. Gott behüte Ihn.«
    Der Bote bedankte sich und verließ das Turmzimmer. Ein paar Minuten saß Maximilian noch an seinem Sekretär und blickte gedankenschwer zum Westfenster hinaus in den Sonnenuntergang. Dann ging auch er wieder hinunter zu den anderen.
    Im Burghof später steckten die Diener Fackeln an die Burgmauer. In ihrem Lichtschein gaben sich die Männer, die nochnicht rettungslos betrunken waren, dem Würfelspiel hin. Die Dämmerung brach schnell herein, und kaum hatte Maximilian seinen ersten Gulden gewonnen, rollte ein Tross aus sechs Wagen in den Burghof. »Die Engländer!«, rief Maria. »Mr. Greenley und seine Komödianten kommen!«
    Ein großes Hallo erhob sich, man stand von den Spieltischen auf, um die Schauspieler zu begrüßen. Als stellvertretender Hausherr führte Maximilian die Gesellschaft an – sein Vater hockte mit von Bernstadt noch drinnen im Speisezimmer beim Wein – und hieß zuerst den Prinzipal und dann seine Leute willkommen, Männer in erster Linie. Greenley – er wirkte kränklich – stellte jeden mit Namen vor, und plötzlich traute Max seinen Augen nicht: Aus einem der beiden Wohnwagen stieg die Frau, die ihm drei Jahre zuvor in Heidelberg, vor der Hofkanzlei, die kalte Schulter gezeigt hatte.
    *
    Durch die großen Fenster des kleinen Saals blickte Susanna hinaus: Wie auf einem Thron hockte der Prinzipal in seinem Lehnstuhl, mitten auf der Terrasse. Die Decke bis unter das Kinn gezogen, die Tasse mit dem dampfenden Kräutertee in der Rechten dirigierte er die Komödianten. Die schleppten von den Wagen im Hof herbei, was sie brauchten, um die Bühne aufzubauen: Seitenwände, Vorhänge, Kulissen, Werkzeugkästen, Blendleisten.
    »Die Kisten mit den Kostümen und Requisiten gleich durch die offene Terrassentür in den kleinen Rittersaal!« Greenley winkte Taylor und Rowland mit einer Truhe an sich vorbei. »Den machen wir zu unserer Garderobe. Mächtig viel Platz haben wir diesmal, Ladies and Gentlemen. Fast wie im Globe Theatre zu London.«
    Die Männer trugen die Truhe herein, Susanna öffnete sie, holte die Kostüme heraus und hängte sie erst auf Bügel und dann andie vorbereiteten Garderobenständer. In Leipzig hatte Greenley sie zur Garderobenmeisterin ernannt.
    Es war noch früh am Vormittag, und trotz des goldenen Oktobers wehte kühle Luft durch die offenen Terrassentüren in den kleinen Saal herein. Hammerschläge tönten von draußen – Piet van Dam und der deutsche Komödiant Eichinger, ein Herkules von Mann, richteten die Rahmen für die Seitenwände auf.

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