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Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziebula
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Husten – warnte der Pickelhering vor allzu heißer Liebe und allzu starkem Wein – beides verwirre nur die Köpfe und führe bei übermäßigem Genuss auch gern einmal zu einem frühen Tode, wie man ja gerade gesehen habe, mit hoher Wahrscheinlichkeit jedoch mindestens zu gründlichem Ruin.
    Da schmunzelten und lachten die Leute wieder, und danach applaudierten sie, und das nicht zu wenig.
    Susanna fand die Schlussworte des Pickelherings gar nicht zum Lachen. In ihren Augen trugen die Familien des Liebespaares die Schuld an dessen Tod und nicht die »allzu heiße Liebe«. Bittere Erinnerungen stiegen in ihr hoch, und die Mutter stand ihr plötzlich vor dem inneren Auge. Merkwürdig, wie selten sie an sie denken musste; ganz anders als an den Vater und Anna.
    Hinterher, drinnen im Garderobensaal, lachte auch Greenley nicht mehr; er schmunzelte nicht einmal. Völlig entkräftet hing er in seinem Lehnsessel, während Helena ihm die Farbe aus demGesicht wusch, und Aaron ihn auskleidete. Er hustete praktisch ununterbrochen. Taylor und David trugen ihn in den Seitenflügel und in die Schlafkammer hinauf, die er mit Aaron teilte.
    Mit einer Fackel in der Rechten lief Susanna kurz darauf durch den Burghof zum Wagen des Prinzipals, um ihm einen Schal und eine zusätzliche Decke zu holen. Die Katze sprang neben ihr her. Licht flackerte auf der Ladefläche.
    Als sie vom Kutschbock aus die Plane ein wenig zur Seite schob, sah sie Aaron vor einer Kiste knien, darauf brannte eine Kerze. Vor dieser lag ein aufgeschlagenes Buch – ziemlich zerfleddert kam es Susanna vor –, und auf dem Buch ein toter Distelfink. Mit der Linken ließ Aaron den Anhänger einer Silberkette über dem Distelfink pendeln, mit der Rechten führte er eine große Spinne zur Kerzenflamme und hielt sie hinein. Dabei murmelte Aaron halblaut vor sich hin, was er aus dem Buch ablas.
    Susanna erschrak – instinktiv erfasste sie, dass hier Verbotenes geschah. Einen Atemzug lang zögerte sie, schließlich gab sie sich einen Ruck und kletterte in den Wagen. Aaron fuhr herum. »Was tust du hier?« Zornig funkelte er sie an.
    »Dem Prinzipal einen Schal und eine Decke holen.« Sie kramte beides aus einer Truhe. »Und was tust du?«
    »Beten, das siehst du doch. Ich bete für die Genesung des Prinzipals.«
    »Zum Teufel?« Susanna tat gleichmütig, schloss die Truhe und stand auf.
    »Verschwinde!«, zischte Aaron.
    Susanna kletterte aus dem Wagen, zog die Fackel aus dem Gras. Mit weichen Knien eilte sie durch die Dunkelheit zurück zur Burg. Es gab nicht viele Dinge, die in der Heiligen Schrift mit ähnlichem Ernst verboten wurden wie die Magie. Ihr Vater hatte sie eindringlich davor gewarnt; obwohl sie ganz gewiss nie in Gefahr gewesen war, sich in der Zauberei zu versuchen.
    Aarons Magie nützte nichts – natürlich nicht! –, denn amMorgen hatte der Prinzipal hohes Fieber. Er hustete beinahe bei jedem Atemzug, und es rasselte feucht, wenn die Luft in seine Brust strömte. Während ein Großteil der Komödianten mit den Hochzeitsgästen den Burgberg hinunter in die lutherische Kirche des Dorfes zog, versammelten sich die anderen an Greenleys Bett, darunter Susanna und David.
    »Eine Lungenentzündung«, sagte Taylor. »Damit ist weiß Gott nicht zu spaßen. Du kannst nicht spielen heute Nachmittag, Christopher, und morgen auch nicht.« Greenley wollte etwas erwidern, brachte jedoch nur Husten zustande. »Andererseits können wir die Vorstellung nicht ausfallen lassen, also müssen andere deine Rollen übernehmen. Auch den Pickelhering morgen.«
    »Ich könnte das tun«, erklärte Aaron.
    »Vielleicht …« Greenley hustete und spuckte in einen Becher. »Sicherer jedoch bin ich mir bei David.« Er konnte nur leise krächzen. »Den armen Studenten in der Ehebrecherin hat er schon gegeben, und den Pickelhering beim Hamlet oft genug gesehen.«
    Susanna beobachtete, wie David erst leichenblass wurde – vor Schrecken, nahm sie an – und dann errötete. Vermutlich vor Stolz.
    *
    Strahlen des ersten Morgenlichtes fielen ins Burgzimmer, Maximilian schlüpfte in seinen Reitermantel und schlich zur Tür. Seine frisch angetraute Gattin schlief noch; oder tat so, als würde sie noch schlafen. Auf leisen Sohlen verließ er das Schlafgemach.
    Einen Stock tiefer klopfte er leise an eine Tür, und weil er keine Antwort hörte, trat er ein. Ein Gobelin hing an der Fensterwand – die Geburt der Venus –, ein Landschaftsgemälde über dem Bett und zwei neue Porträts seiner

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