Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)
Cousine rechts und links der Tür.
Maria schlief wirklich noch. Maximilian verriegelte die Tür und kroch zu ihr unter die Decke. Er umarmte sie, drückte sich an sie, und als das Verlangen nach ihr ihn überwältigte, tastete er nachdem Saum ihres Nachthemdes und begann, es über ihre Knie und Schenkel zu zerren. Da schlug sie die Augen auf. »Du?« Statt einer Antwort küsste er ihren Mund.
Maria schob ihn weg von sich und stand auf. Neben dem Bett bückte sie sich und zog das Nachtgeschirr hervor. »Nach deiner Hochzeitsnacht hast du nichts Besseres zu tun, als dich zu deiner Base ins zu Bett stehlen?« Maximilian hörte es mächtig plätschern. »War es so schlimm?«
»Hast du schon einmal auf einem nach Angstschweiß und Rosenwasser stinkenden Brett gelegen«?
»Nein.« Maria stand auf und schob den Nachttopf wieder unter das Bett. »Doch du ahnst nicht, worunter ich schon alles gelegen habe, seit ich verheiratet bin.« Sich bekreuzigend ging sie zum Waschtisch und ließ sich im Lehnstuhl davor nieder. »Wenn ich daran denke, danke ich Gott für die Erschaffung des Weinstocks.« Sie gähnte.
»Warum kommst du nicht zu mir ins Bett?« Maximilian setzte sich auf.
»Ihr seid jetzt verheiratet, Rittmeister.« Maria deutete zur Tür. »Geht zu eurer Gattin, habt Geduld mit ihr und zeigt ihr, wie man es macht. Ich wünsche euch einen glücklichen Tag.«
»Was ist los mit dir, Maria?« Ein spöttisches Lächeln legte sich auf Maximilians Züge. »Ist dir die Komödie des seligen Herzogs von Braunschweig in die Knochen gefahren?« Er sprach von der Ehebrecherin ; die Engländer hatten das Stück gestern nach der Trauung aufgeführt.
»Die Kleine tut mir leid, das ist alles.« Seine Cousine drehte sich zum Spiegel um, griff zur Bürste und begann ihr blondes Haar zu bürsten.
»Die Komödie hat dein Gewissen wachgeküsst!« Er klatschte in die Hände und lachte. »Ich fasse es nicht. Deswegen also hast du gestern Nachmittag so aufmerksam auf die Bühne gestarrt. Dein Gatte übrigens hat dich beobachtet, hast du es gemerkt? Und wieer das Stück genossen hat, der Prinz Kröterich! Schade, dass deine Blicke so gebannt an der Bühne hingen, sonst hättest du grimmige Zufriedenheit in seiner roten Visage gesehen, als die Teufel das arme Weib zur Hölle …«
»Geht!« Maria fuhr herum; mit der Bürste deutete sie zur Tür. »Lasst mich allein!« Maximilian verstummte. Er stand auf, warf sich den Mantel über und verließ das Zimmer, ohne sie noch eines Blickes zu würdigen.
Wütend kehrte er ins Hochzeitsgemach zu seiner frisch angetrauten Gemahlin zurück. Die Tür fand er angelehnt und sie vor dem aufgedeckten Bett kniend und mit nassen Augen. Ihre gefalteten Hände lagen auf der Matratze – drei Handbreiten entfernt von einem Blutfleck. Ihr ängstlicher Blick flehte um Zuwendung, um einen Morgengruß wenigstens. Tiefer Widerwille erfüllte Maximilian; er ließ den Gedanken fahren, es noch einmal mit ihr zu versuchen, zog sich an und floh in den Garten.
Zwischen Herbstastern, Chrysanthemen, Kohlköpfen und den letzten Sonnenblumen gewann er die Herrschaft über seine Wut und sein Verlangen zurück – bis nach dem Frühstück der Herr Graf ihn zu sprechen wünschte. Weil der Graf von Herzenburg niemals zu frühstücken pflegte, überbrachte der Kammerdiener ihm die Aufforderung seines Vaters.
Maximilian ging hinauf in das Spielzimmer, das der Herr Graf sich neben seinem Schlafgemach eingerichtet hatte. An den Wänden rund um den Spieltisch hingen Schuss- und Stichwaffen aller Art, dazu ausgestopfte Schädel von Ebern, Rehböcken, Dachsen und prächtig gehörnten Hirschen. In einem Regal lagen, zwischen Krügen und Kelchen, unzählige Weinflaschen.
Ob er gut geschlafen habe, wollte der Herr Graf wissen, und sein höhnisches Feixen erlaubte mehr Einblick in seine Gedanken, als Maximilian nehmen wollte. Er verriet ihm nichts, bedankte sich nur knapp und erkundigte sich mit kühler Höflichkeit, worum es gehe.
»Ich mach’s kurz, Herr Rittmeister. Er erklärt seinen Abschied bei Tilly für ungültig, reitet weiterhin im selben Regiment wie Sein Vater und ist dafür am Jahresende Obristwachtmeister mit drei Kompanien unter seiner eigenen Fahne.« Der Graf von Herzenburg stand auf und hob den Zeigefinger. »Und ich überschreibe Ihm zu Jahresbeginn die Herzenburg und ziehe mich nach dem Krieg auf mein neues Gut in der Lausitz zurück.«
Maximilian begriff sofort, was seinen Vater antrieb: die Sorge um seine
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