Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)
Susannas Katze döste auf der Kiste mit den Perücken.
Jedes Kostüm, das sie aus Truhen und Kisten holte, prüfte Susanna auf Schäden, Flecken und Mottenfraß, bevor sie es an die mit Pappschildern gekrönten Ständer hängte: Die für Romeo und Julia nach rechts, die für die Ehebrecherin in die Mitte, die für den Prinzen von Dänemark nach links und die für den Verlorenen Sohn dahinter zwischen die beiden Innentüren. Alles musste seine Ordnung haben, alles vorbereitet werden – schon am Abend würden die Komödianten zum ersten Mal auf der Bühne stehen: Romeo und Julia stand auf dem Programm. Ein trauriges Stück, aber irgendwie passend für den Abend vor einer Trauung, fand Susanna.
»Was sitzt er denn da in der Morgenkälte!« Die Blonde rauschte durch die Innentür in den Saal, die Prinzessin von Bernstadt. Inzwischen hatte Susanna sich auch ihren Vornamen eingeprägt: Maria. »Er wird sich noch den Tod holen«, seufzte die Frau. Kopfschüttelnd eilte sie durch den Saal und zur Terrasse hinaus. Dort sah Susanna sie auf den Prinzipal einreden.
Sie war die Cousine des Bräutigams, wie Susanna erfahren hatte, und fühlte sich zuständig für den Ablauf des Hochzeitsfestes; vielleicht war sie es auch. Wie auch immer: Nach Susannas Geschmack tauchte sie viel zu oft hier unten bei den Komödianten auf. Zum Glück ließ der Bräutigam sich nicht auf der Terrasse und im Rittersaal sehen; Susanna hatte den Edelmann aus Heidelberg gleich wiedererkannt.
Aaron und Helena brachten Körbe mit Requisiten herein – Masken, Hüte, Tücher, Schuhe und so weiter. Die Blonde folgteihnen und schlug die Hände über dem Kopf zusammen. »Spielen will er, dieser eigensinnige Mensch! In diesem Zustand will er heute Abend tatsächlich auf der Bühne stehen.«
»Hoffentlich«, sagte Helena. » Romeo und Julia ohne den Pickelhering wäre gar zu traurig für eine Hochzeitsgesellschaft.«
»Er fiebert aber.« Die Prinzessin musterte sie entrüstet.
»Er ist auch schon mit eiterndem Zahn oder mit Gallenkoliken auf die Bühne gegangen«, entgegnete Helena. »Danach ging es ihm meistens besser.« Ein praller Bauch zeichnete sich unter ihrem Kleid ab.
»Vergebliche Liebesmüh, dem Prinzipal einen Rat geben zu wollen«, sagte Aaron. »Glaubt mir, Durchlaucht: Ich mache mir genauso viele Sorgen um ihn wie Ihr. Doch Christopher tut, was er will. Immer. Also beschränke ich mich darauf, ihm Kräutertee aufzubrühen und Brustwickel anzulegen. Und für ihn zu beten.«
»Er betet für Seinen Prinzipal?« Verwundert runzelte die Prinzessin von Bernstadt die Brauen. »Zu Gott?« Auch Susanna war verblüfft – bis jetzt hatte sie Aaron immer für einen ungläubigen Menschen gehalten. Die blonde Frau schien ähnlich wenig von seiner Frömmigkeit zu halten, und die musste es wissen: In London hatte sie einige Monate in seiner und Greenleys Nähe gelebt, kannte Aaron also ganz gut.
»Jeder betet auf seine Weise«, beschied ihr Aaron mit rätselhaftem Lächeln.
Die Bühne sah prächtig aus, wie sie sich neben der Treppe zum Portal der Hauptburg erhob. Die Kostüme hingen geplättet und gesäubert an den Garderobenständern, die Requisiten lagen bereit. Der Abend kam, und unter seinen Komödianten, die in Romeo und Julia auftraten, saß auch der Prinzipal und verwandelte sich in den Pickelhering. Er summte eine Melodie, während Aaron ihm beim Ankleiden half, und schien bester Dinge.
Während der Vorstellung hielt Susanna sich die ganze Zeit im kleinen Rittersaal hinter der Terrassentür auf, empfing die Abtretenden, zupfte den Auftretenden die Kostüme und die Frisuren zurecht, reichte ihnen Degen, Kerzenleuchter, Dolche und was sie gerade brauchten. In all der Hektik hockte David seelenruhig auf einer Kiste und schrieb in sein Buch.
Zweimal musste der Pickelhering husten während seiner Auftritte, ansonsten hielt er sich tapfer und man merkte nicht, dass er krank war.
Während der letzten Szene gingen Susanna und David zum Burgportal hinaus auf den Hof. Sie wollten den Hochzeitsgästen in die Gesichter schauen während des Applauses – sie sahen eine Menge Schnupftücher vor Nasen und Augen und hörten allerhand Geschluchze: Das Schicksal der Liebenden ging den edlen Gästen doch arg unter die Haut.
In der ersten Reihe saß die Braut und weinte. Der Bräutigam neben ihr weinte nicht, guckte nicht einmal zur Bühne – er guckte zu Susanna. Schnell wandte sie sich ab, als sie es merkte.
In seinem letzten Auftritt – und ganz ohne
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