Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)
derer, die ihm nicht gratulieren wollten, sogar unverhohlenen Neid. Das tat ihr weh, und den größten Neidern versuchte Susanna die schönsten Kostüme zu nähen. Aaron zum Beispiel.
Morgen ging es also auf die Ostsee hinaus und ins preußische Königsberg. Sie schauderte, wenn sie daran dachte, das Reisefieber hatte sie längst befallen. Seufzend lehnte sie gegen David, und der legte den Arm um sie.
»In Königsberg war auch ich noch nie«, sagte Greenley. »Dabei reise ich schon im dreiunddreißigsten Jahr durchs Heilige Römische Reich. Ich frage mich, ob man in Preußens Einöde überhaupt weiß, was Komödien und Tragödien sind.«
Einige lachten. »In so jungen Jahren hast du die englische Insel bereits verlassen?«, fragte Otto Eichinger. Der Deutsche kannte den Prinzipal erst seit dem vorletzten Frühjahr.
»Meinen ersten Kuss hatte ich schon hinter mir damals, meinen ersten Rausch noch vor mir. Wenn ich eine Frau spielte, musste ich mich noch nicht rasieren vor den Auftritten.« Wieder Gelächter.
»Warum hast du deine Heimat verlassen, Christopher?« Seit er auf der Herzenburg zum ersten Mal den Pickelhering gespielt hatte, nannte David den Prinzipal beim Vornamen.
»Wir hatten die Pest damals in London, ja in ganz England, möchte ich meinen. 1592 war das, und die Londoner Theater schlossen ihre Tore gleich für zwei Jahre.« Greenley zuckte mit den Schultern. »Wer nicht betteln wollte, musste auf die Wanderschaft gehen. Mein Lehrer hatte zwei Jahre zuvor schon am Hof des Herzogs Heinrich Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel gespielt und wusste, dass man gut über die Runden kommen konnte im Römischen Reich. ›Diesseits des Kanals steht es uns frei, bankrott zu gehen‹, pflegte Sackville zu sagen, ›ein paar Seemeilen weiter feiern sie uns als Gentlemen der Schauspielkunst. Entscheidet euch‹. Das wurde rasch zum geflügelten Wort.«
»Die Pest ging vorüber, und die Theater öffneten wieder«, sagte David, »und du bist dennoch ein Wanderkomödiant geblieben.«
»Man gewöhnt sich an diese Art zu leben, das weißt du doch. Außerdem war die eigentliche Arbeit in London härter als in den holländischen und deutschen Städten. Die Zuschauer in London sind verwöhnt, vor allem unsere Königin Elizabeth war anspruchsvoll und nicht zimperlich, wenn ihr etwas nicht gefiel. Das konnte leicht auch lebensgefährlich werden.« Greenley zog die Brauen hoch und lächelte. »Nicht alle hatten so viel Glück wie ich oder mein Lehrer Sackville. Der fühlte sich so wohl im Herzogtum Braunschweig, dass er gleich ganz dort blieb. Und wer will ihm das verdenken? Der Herzog schrieb ihm ja sogar Komödien auf den Leib, wie ihr alle wisst.«
»Und du warst eine Zeitlang Komödiant am Hof von Hessen-Kassel, hab ich recht?« Aaron stand auf und schenkte dem Prinzipal Wein nach.
»Der Landgraf Moritz von Hessen-Kassel war unser größter Gönner hier im Römischen Reich, das ist wahr. Welch ein gelehrter und kunstsinniger Mann! Hat sonst irgendein deutscher Fürstschon ein Theater gebaut?« Greenley hob seinen Becher. »Möge Gott ihn und sein Land beschützen in diesen wüsten Zeiten!« Sie tranken, und der Weinkrug machte seine Runde. »Doch wir ließen uns niemals nieder bei ihm, zogen immer von Hof zu Hof, von Reichsstadt zu Reichsstadt – bis zum heutigen Tag. Allerdings hatten wir einen Vertrag mit dem Moritz und durften uns eine Zeitlang mit bestem Gewissen ›fürstlich-hessische Komödianten‹ nennen. Wir hatten das schriftlich, versteht ihr? Das hat uns viele Stadttore und so manches Schlossportal geöffnet. Und meinem Ruf in England hat es auch nicht geschadet.«
»Sollten wir uns dann nicht lieber nach Hessen wenden statt nach Königsberg und Schlesien?«, schlug Charles Rowland vor.
»Leider frisst dem Landgrafen Moritz zurzeit der Krieg die Gulden aus der Schatulle«, erwiderte Greeley, »und ich schätze, dass es keinen von uns dorthin zieht, wo katholische Landsknechte auf Beute lauern. Und dich darf es am allerwenigsten dorthin ziehen, Charly, denn kein Kind sollte in einer Luft zur Welt kommen, die nach Schwarzpulver stinkt und von Kanonendonner dröhnt.«
Einige standen auf und zogen sich in die Wagen zurück. Andere packten Lauten, Schalmeien und Flöten aus, um zu musizieren. Susanna nahm David die Katze vom Schoß, drückte sie an ihre Brust und wärmte sich an ihr. Scheu musterte sie Greenley von der Seite.
Der Prinzipal blieb ihr noch immer ein wenig fremd und unheimlich – der
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