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Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziebula
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was ich auch hier bei euch tue – ich unterrichte junge Komödianten in der Schauspielkunst. Das ist fast so schön, wie auf der Bühne zu stehen. Doch lange wird es wohl nicht mehr währen.« Greenley setzte den Becher an die Lippen und trank.
    »Rede nicht so, Christopher!«, fuhr Aaron ihn an. »Du machst mir Angst!« In solchen Blicken spürte David, wie sehr die beiden aneinander hingen.
    »Angst macht klug.« Der Prinzipal starrte in die letzte Glut. Ein bitteres Lächeln kroch in seine Züge. »Seht euch das jämmerliche Glimmen an. So brennt auch die Kraft unseres Lebens dahin. Und wenn man dann zurückschaut auf das vergangene Feuer, auf das große, das heiße, dann war es doch nur ein Feuerchen gewesen, und ein kurzes dazu.«
    »Hör auf!« Aaron zog die Schultern hoch, als würde es ihn frösteln. »Kein Wort mehr davon!«
    »Vergiss das nie, Jean Potage – nur ein Feuerchen, und ein kurzes dazu.« Schon lange hatte der Prinzipal ihn nicht mehr so genannt, und David wurde ganz merkwürdig zumute. »Du hast viel Beifall eingestrichen seit dieser Hochzeit auf der Herzenburg, viel Lob und Bewunderung. Und das mit Recht, denn du bist gut. Du wirst einmal unser Bester sein, ich zweifle nicht daran. Und John auch nicht.«
    David spürte, wie ihm die Röte heiß ins Gesicht stieg. Er äugte zu Aaron hinüber – dessen Miene wirkte hart und glatt auf einmal, und obwohl er lächelte, glitzerte es kalt in seinen Augen.
    »Keinem tut es auf Dauer gut, immer nur gelobt zu werden«, fuhr Greenley fort, »und einem wie dir sowieso nicht.« David stutze – wie meinte der Prinzipal das? Er wollte protestieren, fand aber nicht die rechten Worte. »Das Leben selbst wird schon dafür sorgen, dass du dir in deinen eigenen Augen nicht großartigererscheinst, als du bist. Doch bis dahin versuch’s dir zu merken, David Villacher: Nur ein kurzes Feuerchen. Ganz unbedeutend und bald vorbei.«
    Er stellte den Becher ab, drehte sich zur Seite und langte in eine Ledertasche, die neben ihm lag. »Und damit du es nicht vergisst, will ich dir heute etwas schenken.« Er kramte ein in Tuch eingeschlagenes rundliches Ding heraus, etwa so groß wie der Bauch des Weinkruges. »Ich warte schon länger auf eine Gelegenheit dazu, und heute ist mir danach.« Greenley wickelte das Ding aus den Tüchern – ein Totenschädel kam zum Vorschein. »Vor den Augen deiner lieben Frau wollte ich es nicht tun, denn wer ein Kind unter dem Herzen trägt, sollte den Tod nicht vor Augen haben.«
    David starrte den Schädel an. Alles in ihm sträubte sich dagegen, ihn zu berühren; angst und bange wurde ihm plötzlich. Doch Greenley kümmerte sich nicht um seine Befindlichkeit und streckte ihm sein Geschenk hin. »Das ist der Schädel unseres Erzpickelherings.« Der Prinzipal lächelte. »Will Kemps Schädel. Ich reiche ihn heute an dich weiter.«
    *
    Früh am nächsten Morgen hielt ein berittener Bote sein Pferd vor der Wagenburg der Komödianten an. Er übergab Greenley einen Brief der Prinzessin von Bernstadt. Sie habe Schlesien überraschend verlassen müssen, und statt nach Preußen möge die Compagnie sich auf den Weg nach Magdeburg machen. Dort gebe es einen dem Schauspiel geneigten Magistrat, und dort warte sie mit besseren Nachrichten.
    *
    In den Wochen danach hielt David den Totenschädel nicht ein einziges Mal in den Händen, und als er Anfang Juni seinen neugeborenen Sohn in den Händen hielt, dachte er schon nicht mehr an den Hohlknochen ganz unten in seiner Kleidertruhe. Das Kind sah sehr zerbrechlich aus mit seinen feinen Gliedern und war fast am ganzen Körper mit dunklem Flaum bedeckt. Es plärrte aus Leibeskräften.
    Die Hebamme, die gegenüber des Magdeburger Gasthauses wohnte, in dessen Innenhof die Komödianten spielten, nahm ihm das schreiende Bündel ab, wusch und wickelte es und legte es Susanna an die Brust. Das Geplärre verstummte.
    Sie bewohnten eine Stube in ebenjenem Gasthof. Helena und die anderen Frauen knieten um Mutter und Säugling herum und bestaunten das saugende, eigenartig gurrende Wesen, das doch weiter nichts als das Selbstverständlichste der Welt tat. Und dabei lächelte jede Einzelne so selig entspannt, als hätte sie selbst gerade ein Kind geboren, und das völlig schmerzfrei.
    Auch Susanna leuchtete das Glück in den erschöpften Zügen, auch Susanna hatte nur Augen für das Kind. Ein wenig verloren stand David bei all den Frauen und kam sich überflüssig vor.
    Die Hebamme, eine stämmige Frau mit weißem

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