Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)
hatte die Komödianten zu einem längeren Gastspiel an ihr Schloss in Bernstadt eingeladen. Es würde Susannas erste Seereise sein – ihr war ein wenig bange.
Sie setzte sich neben David auf ein Deckenbündel. Die Katze lag rücklings auf Davids Schoß und ließ sich von ihm den Bauch kraulen. Ein kühler Nordwind wehte, und Susanna zog eine Decke aus dem Bündel unter sich, in die sie sich einwickelte. Der April hatte noch keinen warmen Tag in diesem Jahr gesehen.
»Wir wären besser noch zwei Wochen in der Stadt geblieben«, hörte sie Taylor sagen. Die Männer sprachen über die letzte Vorstellung in Stralsund. »Wir spielen nicht oft vor Leuten, die unsere Kunst so sehr zu schätzen wissen wie die Stralsunder.«
»Ganz deiner Meinung, John«, sagte der Prinzipal. »Liebenswertes und kunstsinniges Volk hier in Stralsund, irgendwie englisch, will mir scheinen. Und gutes Geld haben wir auch gemacht. Doch wir können es uns unmöglich erlauben, eine Einladung der Prinzessin von Bernstadt auszuschlagen.«
Die meisten sah Susanna nicken, nur Rowland guckte skeptisch aus seinem eleganten Spitzenkragen; er hätte seiner schwangeren Frau die Reise gern erspart. »Es ist noch immer kein weiterer Vertrag mit einem Fürstenhof in Aussicht zurzeit«, fuhr Greenley fort und seufzte. Sie alle hatten sich mehr versprochen von den Auftritten während der Hochzeit auf der Herzenburg, wenigstens ein Sommerengagement an einem Fürstenhof. »Leider, doch so ist es nun einmal. Auf dem Rückweg werden wir also längere Zeit hier in Stralsund bleiben können. Im nächsten Frühjahr, schätze ich.«
Im nächsten Frühjahr – wie weit weg Susanna das vorkam. Siedachte gerade einmal bis Ende Juni. Um die Zeit ungefähr würde ihr Kind zur Welt kommen. Anna sollte es heißen, falls es ein Mädchen werden würde. Einen Jungen wollte David Stephan Joseph nennen, nach seinen beiden Vätern. Susanna schwebte ein anderer Name vor.
Den Winter hatten sie in Cölln an der Spree verbracht, im Geburtsschloss des Kurfürsten von Brandenburg und Herzogs von Preußen Georg Wilhelm. Von einem Tag auf den anderen waren sie im Herbst zuvor abgereist vom Hochzeitsfest auf der Herzenburg. Wenn Susanna an den Angriff des jungen Grafen in der Burgküche dachte, schauderte ihr; und zugleich beglückwünschte sie sich, so beherzt die Bratpfanne geschwungen zu haben. Der wüste Bräutigam lag mit blutigem Kopfverband und noch halb betäubt auf dem Krankenlager, als sie nach Norden aufbrachen.
Greenley hatte früher schon am brandenburgischen Hof gespielt, und so gelang es der Prinzessin recht schnell, dem Alten Komödianten eine neue Einladung zu vermitteln. Drei Monate lang waren sie im gastfreundlichen Schloss zu Cölln aufgetreten, das hatte gutgetan. Man hatte sie dort hofiert, mit Lob und Anerkennung überschüttet und auch mit Gulden nicht gegeizt. Ihr gesamtes Repertoire hatten sie spielen können, zwei Dutzend Stücke und mehr; darunter Tragödien und Komödien, die Susanna zuvor noch nicht gesehen hatte.
Ihr war es vorgekommen, als suchten sie am kurfürstlichen Hof von Brandenburg mehr Zerstreuung als anderswo. Grund dazu gab es genug, denn der Krieg war doch noch nicht zu Ende, sondern hatte nur ausgeruht, um nun das Reich mit umso größerer Zerstörungskraft erschüttern zu können. Im Norden drohten die Schweden, im Süden lagen Tillys Bayern und der Dänenkönig einander gegenüber, und aus dem Osten marschierte angeblich schon ein Mann heran, dessen Namen man allerorten nur mit furchtsamem Unterton aussprechen hörte: Wallenstein. Und der liebenswürdige und lebenslustige Kurfürst von Brandenburgtrat ganz und gar nicht auf wie der geborene Kriegsmann. Den Eindruck jedenfalls hatte Susanna von ihm gewonnen, und sie konnte ihn verstehen – auch sie selbst versuchte, möglichst nicht an den Krieg zu denken.
Im März, gleich nach der Schneeschmelze, waren sie nach Mecklenburg aufgebrochen, hatten zu Ostern in Schwerin gespielt und anschließend eine Woche lang in Rostock. Oft hatte David den Pickelhering gegeben, und den armen Studenten, wenn sie die Ehebrecherin spielten. Zweimal auch schon den Romeo, weil ein Komödiant krank geworden war, und je einmal die keusche Susanna und den verlorenen Sohn. Er hatte seine Sache fantastisch gemacht, und die Zuschauer liebten ihn.
In der Compagnie dagegen beobachtete Susanna immer häufiger gequältes Lächeln auf den Mienen einiger Komödianten, wenn sie David gratulierten, und auf den Mienen
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