Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)
Haar, scheuchte die Katze aus dem Raum und packte ihre Sachen zusammen. David brachte sie nach unten und bezahlte sie. Die Männer umringten ihn, klopften ihm auf die Schulter und wünschten ihm Segen, Glück und dergleichen. Und Greenley, der es pathetisch mochte, küsste ihn auf beide Wangen: »Möge das Schicksal dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation an diesem Morgen endlich einmal einen lesbaren Dichter geschenkt haben. Oder wenigstens einen brauchbaren Komödianten.« Auch von den Fenstern rund um den Hof riefen die Leute ihm Segens- und Glückwünsche zu; obwohl gerade erst die Sonne aufging, waren viele schon wach.
David winkte zu ihnen hinauf; er wusste kaum, wie ihm geschah. Alles in ihm bebte. Es war eine schwere Geburt gewesen,und Susanna hatte arg geschrien. Nun war es vorbei, und er hatte einen Sohn. Oder nein – nun ging es los, und er war Vater. Wie verwirrt kam David sich vor, wie halb betäubt.
Während die anderen sich wieder in ihre Wagen und Decken verkrochen oder ins Haus hinaufstiegen, um einen Blick auf Mutter und Kind zu werfen, ging David durch den Torbogen der Hofeinfahrt auf die Gasse hinaus zur nahen Ostmauer der Stadt. Auf dem Wehrgang dort lehnte er zwischen den Zinnen und blickte hinunter auf die Elbe und ins weite Land hinein. Seine Empfindungen waren Sperlingsschwärme und flatterten ihm wie ebensolche durch Bauch und Hirn. Er blickte hinter sich über die Dächer der Stadt und auf ihre zahllosen Kirchtürme. Irgendwo zwischen ihnen lag jetzt ein neugeborenes Kind an der Brust seiner Frau. Sein Sohn. Er war Vater geworden. Und fasste es kaum.
In seiner Rechten spürte er plötzlich den Zopf seiner Mutter, und Tränen stiegen ihm in die Augen. Auf einmal sehnte er sich nach Stephan. Wie gern hätte er ihn jetzt umarmt und geküsst und gerufen: »Ich habe einen Sohn, stell dir vor!« Wie gern hätte er Bela umarmt und es ihm gesagt. »Ich habe einen Sohn.« Sogar Sehnsucht nach der Landgräfin regte sich in seiner Brust.
Am Abend dann die unvermeidliche Frage. »Wie soll der Junge heißen?« Helena stellte sie. David sah Susanna an, und Susanna sah David an. Sie hatten sich noch immer nicht geeinigt. »Stephan Joseph soll er heißen«, erklärte David.
»Ich habe ihn Monate lang mit mir herumgeschleppt.« Jene steile Falte des Unwillens zwischen Susannas Brauen, die David sonst so mochte, wollte ihm in diesem Moment gar nicht gefallen. »Ich habe ihn unter tausend Schmerzen geboren, also bestimme ich auch, wie er heißt.«
»Ich bin der Vater!«, empörte David sich, und um ihn herum warfen die Komödianten einander halb verstohlene, halb amüsierte Blicke zu.
»Darum wird er ja auch Villacher heißen«, entgegnete Susannaungerührt. Sie hielt seinem Blick stand, und eine wankelmütige Frau sah weiß Gott anders aus. David zog sich in die Gaststube zurück. Dort bestellte er Wein und schmollte.
Wie sein Sohn heißen würde, erfuhr er dann erst am übernächsten Tag – am Taufbecken, als der lutherische Prediger nach dem Namen fragte. »Friedrich Johannes Villacher«, antwortete Susanna, und der Prediger taufte das schreiende Kind im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes auf genau diesen Namen.
Friedrich hatte Susannas Vater geheißen, das wusste David; wie sie auf Johannes kam, war ihm schleierhaft und wollte sie auch nicht verraten.
Die Prinzessin von Bernstadt ließ zu dieser Zeit übrigens noch immer auf sich warten, dabei hatte der Magistrat von Magdeburg ihnen nur zwei Wochen Spielzeit zugestanden. Schon in fast einer Woche mussten sie die Bühne abbauen. Vier Tage darauf, in der zweiten Juniwoche, schlug David am Morgen die Augen auf. Der leere Platz neben ihm auf dem Spreusack fühlte sich noch warm an. Susanna war mit dem Kind hinunter in die Badestube gegangen. Auf dem Hocker neben dem Nachtlager sah er das Buch, in das sie zu schreiben und ihre Schnitte und Stickmuster zu zeichnen pflegte. Er blätterte darin. Das war nicht in Ordnung, er wusste es genau. Vielleicht tat er es, weil er noch immer ein wenig verärgert war wegen des Kindesnamens und Susannas Eigensinn, vielleicht auch aus einer gewissen Eifersucht heraus, denn wahrhaftig: Seit der Kleine auf der Welt war und ihr an der Brust hing, hatte er selbst, David, an diesem lieblichen Ort nichts mehr verloren. Manchmal behandelte Susanna ihn gar wie Luft – er schien kaum noch vorzukommen in ihrer kleinen Mutterwelt.
Ganz vorn, auf den ersten Seiten des Buches, fand er Briefe. An
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