Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)
den Sand.
In der Brandung, hundert Schritte entfernt von Susanna, tobten John und Julia herum. Helena saß bei ihnen im flachen Wasser. Susanna blickte zu ihnen und lächelte. John sprang um Julia herum wie ein junger Hund, er war beweglicher als Helenas Tochter, dafür sprach er nicht halb so viel wie sie.
Seit zwei Wochen spielten die Wanderkomödianten ihre Komödien und Tragödien im Königsberger Sommerschloss des Brandenburgischen Kurfürsten. In Danzig hatte es Greenley nicht lange gehalten – zu nah tönte der Kriegslärm der Schweden und Polen. Und wie gut, dass die Compagnie seinem Drängen nachgegeben hatte – vor ein paar Tagen erst hatte Susanna auf dem Markt von Königsberg Nachrichten aus Danzig gehört: Kaum eine Tagesreise südlich der Stadt waren die Heere der Polen und der Schweden aufeinander losgegangen. Angeblich sei der schwedische König Gustav Adolf schwer verletzt worden.
Der Sand hinter ihr knirschte unter Fußsohlen, ein Schatten fiel auf Susanna. »Ich darf doch, Mrs. Villacher?« Der Prinzipal ließ sich neben ihr nieder.
»Natürlich darfst du, Christopher.« Sie musterte ihn von der Seite. In Danzig hatten sie seinen fünfundfünfzigsten Geburtstag gefeiert. Er sah müde aus in den letzten Tagen. Häufig entdeckte Susanna Sorgenfalten auf seiner Stirn, auch heute. David vermutete, dass er an England dachte und mit dem Gedanken spielte, nach London heimzukehren. Bei keinem Gespräch über Politik machte der Prinzipal ein Geheimnis aus seiner Einschätzung des Krieges – nach seiner Meinung hatte der seine schlimmsten Jahre noch vor sich.
Christopher Greenley wollte nach Hause, keine Frage, und Susanna freute sich auf London. Sie war entschlossen, mit den Komödianten zu fahren; entschlossener als David – den musste sie noch überzeugen.
»Was für ein wunderschöner Tag, nicht wahr?« Ihr Sohn winkte ihr von weitem, sie winkte zurück.
»Ja, ein wirklich herrlicher Tag, Susanna, meine Liebe.« Greenley seufzte, und Susanna sah ihn stirnrunzelnd an: Wenn er sie so nannte, hatte er meistens Arbeit für sie. »Leider muss ich ihn dir verderben. Gründlich verderben, fürchte ich.«
Susanna erschrak, zog die Beine an und schlang die Arme um die Knie. »Was ist geschehen?«
»In Danzig hat Maria von Bernstadt um ein persönliches Gespräch mit mir gebeten. Nun, ohne sie könnten wir einpacken – sie darf persönliche Gespräche mit mir führen, wann immer sie will. Sie kommt also zu mir und sagt, ich soll dem David die Rolle des Hamlet geben, wenn wir das nächste Mal den Prinzen von Dänemark spielen. Geht nicht, sage ich – das ist John Taylors Rolle. Wenn ich ihm die nehme, habe ich den größten Krawall in der Compagnie, und das muss ich vermeiden. Sie besteht aber darauf, deutet an, was ich ihr zu verdanken habe. Nun, ich bin stur geblieben, und seitdem reden wir nur noch das Nötigste. Und jetzt kommt’s: Ich habe mich natürlich gefragt, welcher Dämon unsere Königliche Hoheit reitet, und sie etwas aufmerksamer beobachtet.Und leider musste ich meinen Verdacht bestätigt sehen: Sie schläft mit deinem Mann.«
Es dauerte, bis Susanna ein paar Worte gelangen. »Das glaube ich nicht.« Stocksteif hockte sie im Sand.
»Es tut mir sehr leid.« Greenley legte ihr die Hand auf die Schulter. »Ich hab natürlich mit David gesprochen. Er blieb stumm wie ein Fisch. Hab ihm befohlen, mit dir zu reden, das hat er aber wohl nicht getan. Jetzt weißt du’s, armes Weib.«
»Ich glaube es nicht.« Susanna schüttelte energisch den Kopf. So lange hatte sie jeden Verdacht im Keim erstickt, jeden misstrauischen Gedanken, jede eifersüchtige Regung abgewehrt, dass sie nun zu zerbrechen fürchtete – nun, wo die unbestechliche Wirklichkeit mit harter Faust an die Tür ihres Bewusstseins schlug. »Ich will es nicht glauben.«
»Das wirst du wohl müssen. Ich hätte mich lieber nicht eingemischt, muss es aber, wo ich doch für den Frieden in der Compagnie verantwortlich bin. Außerdem ertrage ich es nicht, wenn die anderen hinter deinem Rücken tuscheln und am Ende du die Einzige bist, die von nichts weiß.«
»Das kann nicht sein.« Susanna schüttelte wieder den Kopf. Ihr Gesicht war zur Maske erstarrt.
Greenley seufzte, zog sie an sich, tätschelte ihre Schulter. »So etwas kommt vor, weißt du? Es liegt in der Natur des Menschen, möchte ich fast sagen. Nun ja, und die Maria von Bernstadt …« Er schnalzte mit der Zunge und schüttelte den Kopf. »Sie ist gefährlich, nicht nur
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