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Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziebula
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Obrist hieß Jan von Brüggen.
    Hannes’ Cornet, ein junger Haudrauf aus Mecklenburg namens Wolf Hader, winkte von weitem. Als Hannes auf Rufweite heran war, hörte er ihn schreien. »Mach schon, Hannes! Man erwartet dich!«
    Hannes dachte nicht daran, schneller zu laufen. Wer auch immer da auf ihn wartete – wenn er etwas Wichtiges vorzubringen hatte, würde er schon nicht weglaufen.
    »Ein Leutnant mit einer Botschaft aus Dresden«, erzählte Hader, während er neben Hannes herlief. »Beim höllischen Feuer – du kennst Leute in Dresden?«
    »Nein.« Ein Pferd sah Hannes vor seinen Zelten stehen, und auf den zweiten Blick erst den kleinen Mann daneben. »Leutnant Franz Hacker«, stellte der sich vor. Jetzt erkannte Hannes ihn: Kristina hatte ihn in das Zelt des Mannes geführt, vor drei Jahren bei Stadtlohn; oder war es vier Jahre her? Hacker kannte Susanna und die Gaukler.
    »Ein Brief«, sagte Hacker, »von ihr.«
    »Von ihr?« Hannes begriff nicht gleich, drehte den ziemlich dicken Brief hin und her, entzifferte endlich den durch Regen und Schnee verschwommenen Namenszug – Susanna Villacher .
    »Na, die Schneiderstochter, nach der du damals gefragt hast«, erklärte Hacker. »Die mit den Gauklern aus Heidelberg entkam. Erinnere dich, Stein! Ich wäre längst in der Wetterau gewesen, doch mein Corporal hat sich im Suff das Bein gebrochen, der Hundsfott! Bist jetzt Rittmeister, höre ich? Gratuliere!« Hannes winkte ihn hinter sich her ins Zelt. »Die Susanna, du weißt doch. Die zieht tatsächlich mit englischen Komödianten durchs Reich, mit diesem Greenley. Hast ihn nicht gefunden, was? Zufall, dass ich sie traf. Musste der Königlichen Hoheit von Bernstadt den traurigen Brief, du weißt schon. Hat ein Kind, die Susanna, süßes Kerlchen …«
    Hannes ließ ihn reden, öffnete den Brief, fand mindestens fünfzig vollgeschriebene Blätter, alle bis auf einen aus einem Buch herausgerissen. Er überflog sie, horchte Hacker aus, gab ihm Botenlohn und Wein und verabschiedete ihn, als er nichts Neues mehr zu erzählen wusste.
    Dann schickte er einen Jungen nach Feuer und zündete Kienspan und Öllampe an, als der mit einem brennenden Span zurückkam. In ihrem Schein begann er, die vollgeschriebenen Seiten zu lesen.
    Fast alle stammten aus den Jahren 1621 und 1622, Briefe an ihn; Susanna hatte sie in Heidelberg geschrieben. Sein Herz wurde ganz taub, als er sie las – ich warte jede Stunde auf dich, mein geliebter Hannes, hieß es da und ich weiß, dass Gott dich zu mir schicken wird, mein Allerliebster oder niemals könnte ich ertragen, dich zu verlieren, mein Ein und Alles oder mein ganzes Leben werde ich dich lieben, nur dich …
    Bei diesem Satz ließ er die herausgerissenen Blätter sinken und starrte in die Kerzenflamme. Worte aus einer anderen Welt, aus einem anderen Leben. Er ertrug sie kaum, legte den Blätterstapel beiseite, las den Brief, der aus dem vergangenen Jahr stammte, vom September.
    O Hannes, Hannes , du lebst, höre ich? Bist gar nicht tot? Hast mich sogar oben im Westfälischen gesucht? Ich danke Gott, dich am Leben zu wissen. Was für eine Freude – und zugleich: was für ein Schmerz. Auch ich habe dich gesucht – und musste von deinem Tod hören: Schon in Heidelberg erzählte man schlimme Nachrichten aus dem Walddorf, in Handschuhsheim dann hieß es, keiner habe dort oben überlebt, und im Walddorf selbst zeigte die wahnsinnige Bäuerin mir erst die Gräber und dann deinen blutigen und durchgeschossenen Mantel und Wams. Ich konnte nicht anders, als um dich trauern, ich musste dich zu den vielen Toten rechnen …
    In den Wochen danach fing Hannes unzählige Briefe an zu lesen, legte die meisten jedoch bereits nach den ersten Sätzen zur Seite. Dann überzog der Winter das Land mit so viel Eis und Schnee, dass er keinem Boten den Ritt nach Dresden zumutenwollte. Im März rief der General Wallenstein seine Reiter zum Krieg, und erst im Frühjahr gelang es Hannes, einen Pferdejungen mit einer Botschaft in die kursächsische Residenz zu schicken.
    *
    Ein Hochsommertag am Frischen Haff, von der Ostsee blies ein milder Wind, der Himmel war strahlend blau. Wenn sie sich nach den anderen umdrehte, sah Susanna die Türme Königsbergs aufragen. Es war später Nachmittag, Brot und Früchte lagen nur noch wenige in den Körben, und der Duft nach gebratenem Fisch hatte sich verflüchtigt. Während Rowland Wein verteilte und David seine Geige auspackte, erhob sich der Prinzipal und lief barfuß durch

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