Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)
Brotkörbe darauf ab. Hannes zog die tragbare Waage unter seinem Reitermantel heraus, ließ sich von einem der Trabanten die Waagschale geben, baute die Waage zwischen den Körben auf. Frau und Tochter des Bäckers schlüpften aus dem Zelt und sperrten die Mäuler auf. »Heiliger Donatus! Was tut Ihr da, Herr?« Die Ältere schlug sich die Hände ans Gesicht, die Jüngere sah sich ängstlich nach möglichen Zeugen um.
»Nichts tue ich.« Hannes riss den Degen aus der Scheide. Ehe der Bäckermeister sich versah, lag die Klingenspitze zwischen seinem Halstuch und seiner Kehle. »Du tust etwas.« Hannes deutete erst auf die Frau, dann auf die Waage. »Wiege das Brot ab!«
Sie wand sich, und Hannes musste ihren Kerl quälen, bis der sieanflehte, zu tun, was der Herr Rittmeister gebot. Die Frau wog die Brotlaibe ab, alle zehn, und die Trabanten sahen ihr ganz genau auf die Finger dabei. Jeder Laib wog etwa anderthalb Pfund.
»Du verkaufst es als Zweipfünder.« Hannes nahm dem Bäcker das Seitengewehr vom Hals. Der Mann, leichenblass, schluckte und schielte nach allen Seiten. »Vorschlag, Schubart: Du gibst uns die Hälfte des Geldes zurück, keiner erfährt ein Wort von diesem Betrug, und in drei Tagen schicke ich den Rumormeister vorbei, damit er deine Gewichte prüft.«
Ein Rumormeister war dem Hurenwaibel unterstellt; beide hatten für Recht und Ordnung im Lager zu sorgen.
Der Bäcker erschrak, und die ältere der beiden Frauen rief. »Da machen wir ja ein ganz schlechtes Geschäft, Herr Rittmeister!« Hände ringend tauchte sie vor Hannes auf. »Ihr habt doch nur ein halbes Pfund zu viel bezahlt, das macht nur ein Viertel der bezahlten Kreuzer!« Der Bäcker nickte.
»Koste das Brot, Michel«, forderte Hannes den jüngeren seiner Pferdejungen auf. Der brach sich ein Stück ab und aß. »Und?«
»Schmeckt ein bisschen nach Sägemehl.«
»Unverschämtheit!« Die Bäckersfrau blies sich auf.
»Dann nehme ich drei Viertel des Geldes zurück«, erklärte Hannes. »Und nicht der Rumormeister wird zu euch kommen, um Gewichte zu prüfen, sondern der Hurenwaibel selbst. Und zwar schon morgen.«
Sie zeterten und heulten, doch sie rückten das Geld heraus. Hannes und seine Männer machten sich auf den Rückweg zu ihren Zelten. Das Schneetreiben ließ nach.
Überall zwischen Unterständen, Marketenderwagen und Zelten brannten kleine Feuer. Männer und Frauen standen über der Glut und rieben sich die Hände. Die meisten Nasen trieften, und aus vielen Zelten hörte man die Leute husten. Das Jahr 1627 hatte eisig begonnen.
Seinen Bruder hatte Hannes nicht mehr gesehen seit derSchlacht bei Lutter. Friedrich war nach Norden gezogen, wollte dem schwedischen König seine Dienste anbieten. Den Obristen Rudolph von Mosbach hatte Tilly freigelassen; nach allem, was Hannes gehört hatte, kämpfte er jetzt auf Seiten der reformierten Niederlande gegen die Spanier.
Hannes’ Kompanie lag mit Des Fours Regiment in der Wetterau. Hier, im Hessischen, hatte Tilly das Winterlager aufschlagen lassen. Hannes, sein Obrist und sein Feldmarschallleutnant Des Fours warteten auf einen Marschbefehl ihres Generals Wallenstein.
Von allen Seiten grüßte man Hannes und seine Männer. Viele kannten und schätzten ihn. Manche redeten über ihn, weil er sich keine Frau hielt. An Angeboten mangelte es nicht. Doch Hannes ertrug eine Frau selten länger als ein paar Nächte. Lieber bezahlte er die beiden Pferdejungen. Die hielten seine Kleider in Ordnung, trugen die Beute ins Zelt, kochten und pflegten ihn, wenn er verwundet war. Das war zum Glück selten vorgekommen bisher.
Eine junge Frau mit aschblondem Haar kreuzte ihren Weg. Hannes stutzte, sah ihr hinterher. Sie merkte es, drehte sich um. Nein, es war nicht Kristina. Er erwiderte ihr Lächeln nicht.
Oft wenn er im Lager eine Frauengestalt mit aschblondem Haar sah, schaute er genauer hin. Das ganze Lager hatte er schon nach Kristina abgesucht. Ihr Capitän war bei Stadtlohn gefallen, hieß es. Niemand wusste, wohin seine Hure gezogen war.
Ja, Kristina – sie hätte er sich vielleicht vorstellen können als seine Soldatenfrau. Vielleicht.
Jemand kam ihnen entgegen, sein Cornet. Nein, nicht Laußnitz; der und der Staudinger waren vor Wolfenbüttel bei einem Scharmützel mit der dänischen Nachhut gefallen. Keiner von der Herzenburger Kompanie lebte mehr. Nur von Herzenburg selbst. Und er, Hannes. Ein Witz.
Seine Fahne war jetzt ein blaues Kreuz auf weiß gesäumtem rotem Grund, und sein
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