Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)
suchen. Manchen faulen drei und mehr Zähne im Laufe des Lebens.«
David machte ein ungläubiges Gesicht. »Er reist uns nach wegen Zahnschmerzen? Das glaubt nicht einmal Ihr.«
»Ich meine fast, ich habe ihn schon in Freiburg in der Menge gesehen.« Lauretta flüsterte nur noch. Dabei wandte sie den Kopf zum Bühnenwagen. Dort lallte jemand ein Gebet hinter dem Vorhang, und Stephan lobte den Beter für seine Tapferkeit, während ein Zahn knirschte. »Heute ist er nicht allein.« Die Zwergin biss sich auf die Unterlippe und spähte zum Zeugwagen. Dort hörten sie Rübelrap mit Münzen und Uhren hantieren und munter vor sich hin pfeifen.
Der Schreck fuhr David in die Glieder.
Die Landgräfin fuhr herum und hastete zum Zeugwagen. »Wegmit Ihm, Rübelrap! Schnell! Wenn es sein muss, wühle Er sich in irgendeinen Misthaufen. Und die Sachen hier nehme Er mit.«
Die Hunde spürten die plötzliche Unruhe ihrer menschlichen Gefährten, vor allem der große Englische Hund war ein empfindsamer Bursche. Er begann heiser zu kläffen, prompt stimmte der Dachshund mit ein, und bald krächzte auch der Rabe, pfiff der Milan und knurrten die Bären. David wusste kaum noch, wen er zuerst beruhigen sollte.
»Nicht allein, sagst du?« Marianne kam zurück zu ihnen. »Wer, bei der Heiligen Jungfrau, ist denn bei ihm, Lauretta?«
»Reiter.« Die Zwergin schluckte. »Reiter in Kniehosen, Brustharnischen und Röcken, wie Wachen des kurpfälzischen Hofes sie tragen. Zwei habe ich gezählt. Und dann noch ein Edelmann. Den habe ich auch schon in Heidelberg vor der Bühne gesehen.«
»Jesses, Maria und Josef …!« Marianne eilte zum Kutschbock des vorderen Bühnenwagens und spähte um die Ecke. »Jesses …« Hinter dem Vorhang auf der Bühne rief einer nach seiner Mutter, und Stephan verkündete, nie zuvor ein derart schwarzes und stinkendes Zahngetüm aus dem Maul eines irdischen Geschöpfes gebrochen zu haben.
»Es ist wahr – sie sind zu viert.« Die Landgräfin zur Wagenburg eilte zurück zu David und der Zwergin. »Heidelberger! Sie kommen schon. Gewiss wegen Rübelrap. Ganz gewiss seinetwegen.« Auch sie flüsterte jetzt. »Rede du, David. Keiner von uns ist so ein guter Schauspieler wie du.« Es war das erste Mal, dass die Landgräfin das zugab. »Rede du, ich beschwöre dich.«
David rückte Bauernmantel und Holzschwert zurecht, seine schmale Gestalt straffte sich. Ein Mann mit leichtem Brustharnisch unter einem eleganten schwarzen Samtrock und mit moderner weicher Halskrause darüber erschien hinter der Bühne; ein Offizier, wie David sofort erkannte. Er trug einen großen schwarzen Hut mit rotem Federbusch. Die Hunde begannen erneut zu kläffen. David herrschte sie an, dass sie Ruhe gaben.
Ein Musketier folgte dem Schwarzen – eben jener kleine, stämmige Mann in Rot. Und jetzt erinnerte David sich an das runde, kindlich und harmlos wirkende Gesicht: Um es »hübsch« zu nennen, musste man schon einen arg bescheidenen Begriff von der Schönheit haben.
Als kenne er den Ausdruck seines eigenen Gesichtes nur allzu gut, nahm der Mann seine Muskete von der Schulter und begann ungerührt, die Waffe mit Pulver und Kugel zu füllen. Auf einmal wirkte er alles andere als harmlos.
David lächelte tapfer, zog den Hut des Jean Potage und verbeugte sich. Darauf verstand er sich bestens. »Seid gegrüßt, Ihr Herren. Bitte keine Jagd auf unsere braven Bären.« David richtete sich auf, stülpte den Hut zurück über seine Lockenpracht. »Wir müssten sonst hungern, denn sie sorgen für unseren Lebensunterhalt.« Charmant lächelnd – auch darauf verstand er sich – ging er auf die Männer zu. »Leider ist es ganz und gar unüblich, dass unsere Zuschauer uns hinter der Bühne besuchen. Doch wie können wir Euch dienen, Ihr Herren?« Er versuchte, nicht zu dem kleinen Mann in Rot zu blicken, und zu seiner Muskete schon gar nicht.
»Und bei uns in Heidelberg ist es unüblich, braven Leuten die Geldsäckel und Uhren aus den Rocktaschen zu stehlen.« Dem Edelmann in Schwarz schien nicht nach Lächeln zumute zu sein. Er griff zu seinem silbernen Degenkorb und zog die Klinge blank. »Die Bären waren es nicht, also dürfen sie ihr heiles Fell behalten, keine Sorge.«
David spähte nach allen Seiten. Der Musketier hatte die Muskete auf eine Stützgabel gelegt und zielte auf den Englischen Hund. Der rote Milan spreizte die Schwingen. Die halb blinde Bärin Cura blinzelte in Richtung der fremden Stimme; Bela riss den Rachen auf, brüllte
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